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Kommentar Kündigung des INF-VertragsWettrüsten verhindern!

Bernd Pickert
Kommentar von Bernd Pickert

Ein Rüstungskontrollvertrag, bei dem seit Jahren die Verifizierungsmechanismen nicht funktionieren, ist nichts wert. Aber es geht auch anders.

Oktober 1983: Bundeswehrsoldaten demonstrieren in Bonn vor einer Pershing-Attrappe für Abrüstung Foto: dpa

U nmittelbar nach den USA hat sich nun also auch Russland aus dem INF-Vertrag zum Verbot von Mittelstreckenraketen zurückgezogen. Zwar sind es noch sechs Monate, bis der beiderseitige Austritt formell in Kraft tritt – aber zunächst einmal ist der Vertrag ziemlich tot.

Das allerdings, so muss man ehrlicherweise sagen, ist kein wirklich neuer Zustand – denn ein Rüstungskontrollvertrag, bei dem schon seit Jahren die Verifizierungsmechanismen nicht mehr funktionieren, ist nichts wert. Beide Seiten überziehen sich schon seit Langem mit dem wechselseitigen Vorwurf, den Vertrag zu verletzen. Beide weisen die Vorwürfe zurück, aber unabhängige Inspektoren oder solche der Gegenseite lehnen beide ab. Der Verdacht liegt nahe: Eigentlich haben beide Seiten schon lange keine Lust mehr auf das 1987 geschlossene Erfolgsdokument.

US-Präsident Donald Trump spricht nun davon, ein neues Abkommen unter Einbeziehung von China aushandeln zu wollen. Das wäre sogar einmal eine gute Idee – schließlich ist die Zeit, als nur die beiden Supermächte USA und Sowjet­union über solche Systeme verfügten, nun wirklich schon lange vorbei. Andererseits ist vollkommen unklar, warum sich China auf solch ein Abkommen einlassen sollte.

Denn die Situation ist eben nicht die von 1987. Für den sowjetischen Staatschef Michael Gorba­tschow war der INF-Vertrag ein Gebot der ökonomischen Vernunft, um das ressourcenverschlingende Wettrüsten zu beenden. Welchen Anreiz China haben sollte, ist vollkommen unklar.

Es reicht Rückgrat

So drängen vor allem die europäischen Regierungen auf die Aufrechterhaltung des Vertrages. Kein Wunder – hier würde der Atomkrieg der Mittelstreckenraketen ja stattfinden. Aber ein Vertrag, auf den nur jene drängen, die ihm nicht angehören, hat geringe Erfolgschancen.

Die europäische Friedensbewegung der 1980er Jahre hatte die Angst vor dem Atomkrieg zum zentralen Motiv. Das erscheint heute überzogen. Aber was in Rüstung gesteckt wird, fehlt für die Lösung existenzieller Menschheitsfragen, deshalb muss ein neues Wettrüsten verhindert werden. Dazu aber braucht es nicht zwingend einen INF-Vertrag, es reicht Rückgrat. Wenn Europas Nato-Mitglieder endlich aufhören würden, sich von den USA zu immer höheren Militärausgaben drängen zu lassen.

Das geht auch: Es glaubt doch kein Mensch, dass russische Heere einmarschieren, bloß weil hier keine Raketen stehen – Putin hat viel effektivere Werkzeuge, den Westen in Not zu bringen. Es gilt also: Aufhören mit dem gefährlichen Quatsch des Aufrüstens, auch ohne INF-Vertrag.

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Bernd Pickert
Auslandsredakteur
Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. Bluesky: @berndpickert.bsky.social In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org
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6 Kommentare

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  • Danke Herr Pickert , sehr inspirierend!



    "Neue Zeiten" brechen an.. Panik erscheint unbegründet ?



    Im Rückblick: der INF Vertrag , das Ende des Kalten Krieges, die DDR/BRD `Wiedervereinigung´, die Auflösung der UDSSR .. das alles führte ja zu einer Atmospäre von Handel und kultureller Öffnung in der Politik der europäischen Geographie !



    Die stattfindende friedliche Vertrauensbildung, die m.E. ihren Höhepunkt fand im Vorschlag Herrn Putins: eine Freihandelszone von Lissabon bis Vladivostok.. wurde jedoch durch EU und NATO Ausweitung gen Osten diskreditiert.



    Die alten Geister der Angst führten zum Disaster der Ukraine. Russland wurde politisch und ökonomisch isoliert , verlor das Vertrauen in die EU und in die USA und `igelte sich ein´.



    Die EU bekennt sich voll zu NATO und den USA.



    Für Russland ist die EU als Handelspartner nun zweit- oder drittrangig: Russland ist inzwischen im Handel fixiert auf China und Asien.



    Es sieht doch so aus, das die EU/NATO/ USA Politik von Sanktionen und Abschottung gegen Russland , (begleitet vom Gerassel neuer Aufrüstung, dem Ende des INF Vertrags) sich auch äussert in einer Isolation der EU?



    Sie schreiben:



    "..Es glaubt doch kein Mensch, dass russische Heere einmarschieren, bloß weil hier keine Raketen stehen – Putin hat viel effektivere Werkzeuge, den Westen in Not zu bringen. Es gilt also: Aufhören mit dem gefährlichen Quatsch des Aufrüstens, auch ohne INF-Vertrag." Hmm?



    Es macht sich, m.E. eine Erkenntnis breit, hier, im `Westen´das der russische Bär die Selbstisolation der EU akzeptiert , sich ebenfalls gegen die EU abgrenzt.. und sich freudig- friedlich auf China und Asien konzentriert !



    Erneute Aufrüstung der NATO .. in der EU ? "NEIN DANKE" !



    Was bleibt, ist die Notwendigkeit einer guten EU Friedensdiplomatie, um die alte Angst vor Russland ( seit Stalingrad ?) , mit der erneuten Abschottung.. zu überwinden !

  • Zu zitat:

    " Beide weisen die Vorwürfe zurück, aber unabhängige Inspektoren oder solche der Gegenseite lehnen beide ab. ..."

    Mit Verlaub, aber das ist einfach objektiv falsch !

    Richtig ist:

    Russland hat offizel und öffentlich zu Inspektionen eingeladen, mehrfach, zuletzt vor weniger als einer Woche [1] [2] [3].

    Natürlich kann man darüber spekulieren ob die russischen Einladungen zu Inspektionen aufrichtig und ehrlich gemeint sind.

    Oder aber nur PR sind --in dem Sinne das Russland nur oberflächliche Inspektionen anbietet die den Sachverhalt nicht klären können.

    Tatsache aber ist Russland hat Inspektionen angeboten -- und niemand hat das Angebot annehmen wollen, Zitat [2]:

    "Lawrow kommentierte, Russland halte den Vertrag sehr transparent ein. „Trotzdem werden wir sehr grob dabei zurückgewiesen und erhalten dazu ein Ultimatum“, sagte er. Moskau habe auch vorgeschlagen, dass amerikanische Experten die Waffen untersuchen und kontrollieren könnten. Auch dies sei abgewiesen worden."

    Zitat [3]:

    "Die USA wiederum gehen keinen Schritt auf Moskau zu. Ein Angebot der russischen Unterhändler zur Inspektion des umstrittenen Marschflugkörpers lehnten sie ab."

    Das halte ich für eine wichtigen Punkt über den man nachdenken sollte.

    Quellen:

    [1] www.youtube.com/watch?v=KY2AhmxWwzY

    [2] www.tagesspiegel.d...hten/23883330.html

    [3] www.zeit.de/politi...r8/komplettansicht

  • Wir schreiben das Jahr 2019 und sind demnach wahrscheinlich cirka 6000 Jahre nach der Gründung der 1. Zivilisationen.



    Seit dieser Zeit hat es immer wieder Kriege gegeben, in denen die neuesten Waffen für Millionen von Toten sorgten!



    Eigentlich sollte die Menschheit nach so vielen Jahren gelernt haben, dass Kriege immer schlimmste Auswirkungen auf die Menschheit hatten!

    Gerade das letzte Jahrhundert hat uns gezeigt, wie sehr die Technologie dafür sorge getragen hat, dass sich die Zahl der Toten immens erhöht haben, wenn es zu einem Krieg kommt!

    Durch die Auswirkungen der beiden atomaren Unfälle von Tschernobyl und Fukushima sollte doch eigentlich selbst dem dümmsten Kriegstreiber klar georden sein, dass, sollte es zu einem Atomschlag kommen, auch die eigene Bevölkerung nicht vom Fallout verschont bleiben würde, denn jeder hier im Lande kann sich sicher noch an 1986, Tschernobyls Supergau, erinnern, dass selbst hier starke Verstrahlung diverse Lebensmittel nicht mehr geniessbar machte, Tausende Kilometer entfernt vom eigentlichen Geschehen!



    Selbst heutzutage gibt es in Bayern noch wild, welches nicht ohne Prüfung genossen werden darf!

    Wie Menschenverachtend denken jene überhaupt, die tatsächlich glauben, dass sie irgend einen Vorteil für sich hätten, wenn sie Atombomben werfen würden?

    Eine Lösung zu diesem Problem wäre nur, wenn sich die Weltbevölkerung gemeinsam gegen jedwede Bewaffnung mit Atomwaffen stellen würde!



    Das dürfte allerdings ein Wunschtraum bleiben, da es immernoch die Macht der politiker ist, die zu Entscheiden hat, was für ein Vlk angeblich das Beste ist!

    Auch Deutschland bleibt nicht davor gefeit, keine Atomwaffen der USA, bzw. der Nato in unserem Land zu stationieren, denn schon jetzt hört man aus Kreisen der CDU, dass wir uns nicht aussen vor lassen dürfen, denn das würde die Nato gegenüber Putin schwächen!

    Hier glauben echt einige Politiker, dass es weltweit eine Relevanz hat, ob hier A Waffen stationiert seien, Putin lächelt darüber nur!!!

  • Zitat: „Für den sowjetischen Staatschef Michael Gorbatschow war der INF-Vertrag ein Gebot der ökonomischen Vernunft, um das ressourcenverschlingende Wettrüsten zu beenden. Welchen Anreiz China haben sollte, ist vollkommen unklar.“

    Wie bitte? Hat China vielleicht Ressourcen ohne Ende? Wenn ja, wieso sieht es dann in manchen Provinzen stellenweise noch wie im Mittelalter aus – nur mit kaputter Umwelt? Wollte Donald Trump nicht eben noch eine Mauer bauen, für die nicht genug Geld da war? Von den maroden Schulen und Kliniken der USA noch ganz zu schweigen? Und habe ich wirklich ein russisches Wirtschaftswunder verpasst?

    Seit wann kann sich denn irgend eine Nation auf dieser Erde erlauben, ihr Potential so zu verschwenden? Wir haben nicht mehr 1987. Inzwischen ist den meisten Leuten klar, dass unser Planet nicht überleben wird, wenn wir weiter so mit seinen Ressourcen umgehen wie bisher. Er wird samt Menschheit untergehen, und zwar noch bevor er in einem letzten großen Krieg final verglühen kann.

    Ein „Gebot der ökonomischen Vernunft“ ist ein Kriegswaffenkontrollvertrag immer noch. Außerdem aber ist er ein Gebot der ökologischen und der sozialen Vernunft. Wenn wir ehrlich sind, ist es nur leider immer noch „kein wirklich neuer Zustand“, dass die Vernunft nicht viel zu melden hat. Anno 2019 hatt sie offenbar nicht mal mehr so viel zu sagen wie noch 1987.

    Merke: Wenn dumme, unreife Rüpel keine Lust auf gemeinsame Erfolge haben, wird sie wohl heuer niemand dazu zwingen (wollen). Die meisten Hedonisten glauben offenbar, wenn sie nur ihre ganz private Gier besiegen, könnten sie bis an ihr Lebensende sorgenfrei glücklich werden. Mir scheint, auch das ist eine Art, erweiterten Selbstmord zu begehen aus Angst vorm Leben bzw. vor dem Tod - der auf die Weise schneller kommen könnte als erwartet.

  • Die Dialektik leuchtet mir nicht ein. Warum sollte es weniger wahrscheinlich sein, dass Russland in weitere Länder Europas einmarschiert, wenn diese weniger für konventionelle Waffen ausgeben UND über keine Atomwaffen verfügen bzw. Partnerschaften mit Atomwaffenstaaten haben? Klingt wie ein Argument von Vladimir Putin.

    • @Dorian Müller:

      Es ist klar, dass ein Land in der Lage sein muss, sich verteidigen zu können.



      Jugoslawien und der Irak haben z.B. bitter dafür gebüßt, dass sie auf atomare Bewaffnung verzichtet haben. Es ist klar, dass Russland und auch alle anderen Länder deswegen wachsam sein müssen.