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Kommentar KrankenkassenüberschüsseMit Kranken gehandelt

Heike Haarhoff
Kommentar von Heike Haarhoff

Die Überschüsse der Krankenkassen fließen in den Bundeshaushalt zurück. Gleichzeitig wird die unsoziale Pflegereform vorangetrieben.

D en Vorsitz seines Landesverbands in Nordrhein-Westfalen hat Gesundheitsminister Bahr (FDP) ausgerechnet an einen vermeintlichen Freund verloren: Das haut rein.

Aber in der Berliner Bundespolitik, da darf Bahr sein Gesicht wahren: Im Streit über die Verwendung der milliardenschweren Überschüsse aus dem Gesundheitsfonds hat der CDU-Bundesfinanzminister den Liberalen Bahr jetzt doch nicht so schlimm vorgeführt, wie der zuletzt fürchten musste: Schäuble nimmt nur so viel Geld aus dem Gesundheitsfonds, wie ihm ohnehin zusteht.

Die 2 Milliarden Euro, mit denen jetzt der Bundeshaushalt konsolidiert werden soll, entsprechen der Summe, die eingestellt worden war, um einen etwaigen Sozialausgleich zu finanzieren, sollten die Zusatzbeiträge der Krankenkassen steigen. Das Gegenteil ist der Fall. Folglich ist es konsequent, dass Schäuble dieses Geld, und nur dieses, zurückfordert.

Bild: taz
Heike Haarhof

ist gesundheitspolitische Redakteurin der taz.

Inkonsequent, ach was, sozialpolitischer Hohn dagegen ist der zweite Teil des Kuhhandels: Im Gegenzug kriegt Bahr ein bisschen mehr Geld für seine Pflegereform. Die aber ist vom Ansatz her falsch, weswegen sie durch zusätzliche Finanzmittel nicht besser werden kann.

Für Zusatzversicherungen besteht von Gesetzes wegen keine Pflicht zum Vertragsabschluss. Folglich können sich die privaten Versicherungsunternehmen ihre Kunden nach Gutdünken auswählen. Oder für die Unerwünschten so horrende Prämien verlangen, dass diese Kostenintensiven freiwillig Abstand nehmen.

Faktisch ist damit aber ausgerechnet jene Gruppe von der staatlichen Subvention ausgeschlossen, für die der Staat eine besondere Fürsorgepflicht hat: Menschen mit dem statistisch höchsten Pflegerisiko, chronisch Kranke, Arme und Alte. Das ist nicht nur sozialpolitisch verheerend, sondern möglicherweise verfassungswidrig.

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Heike Haarhoff
Redakteurin im Inlands- und im Rechercheressort
Heike Haarhoff beschäftigt sich mit Gesundheitspolitik und Medizinthemen. Nach einem Freiwilligen Sozialen Jahr in einem Kinderheim bei Paris ab 1989 Studium der Journalistik und Politikwissenschaften an den Universitäten Dortmund und Marseille, Volontariat beim Hellweger Anzeiger in Unna. Praktika bei dpa, AFP, Westfälische Rundschau, Neue Rhein Zeitung, Lyon Figaro, Radio Monte Carlo, Midi Libre. Bei der taz ab 1995 Redakteurin für Stadtentwicklung in Hamburg, 1998 Landeskorrespondentin für Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern und von 1999 bis 2010 politische Reporterin. Rechercheaufenthalte in Chile (IJP) und den USA (John McCloy Fellowship), als Stipendiatin der Fazit-Stiftung neun Monate Schülerin der Fondation Journalistes en Europe (Paris). Ausgezeichnet mit dem Journalistenpreis der Bundesarchitektenkammer (2001), dem Frans-Vink-Preis für Journalismus in Europa (2002) und dem Wächterpreis der deutschen Tagespresse (2013). Derzeit Teilnehmerin am Journalistenkolleg "Tauchgänge in die Wissenschaft" der Robert Bosch Stiftung und der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina.
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4 Kommentare

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  • P
    Pete

    Sogar die USA haben mittlerweile ein besseres Gesundheitssystem.

    Versicherungen ist es nicht erlaubt , Gesundheitsfragen zu stellen und Menschen bazulehnen.

     

    Der Arbeiter hat dieselbe Versicherung wie der US Präsident.

     

    In Deutschland ist die Versicherungslobby mächtig.

    Vor allem CS ,FDP und CDU erfüllen ihr jeden Wunsch.

     

    Banken sind ein Übel, aber Versicherungen gehören genau so dazu und über die wird geschwiegen obwohl sie tagtäglich illegale Praktiken begehen.

    So lehnen sie Leistungen ab und spekulieren auf das aufgeben oder den Tod eines Versicherungnehmers wenn man Fälle vor Gericht längstmöglich hinauszieht und und und.

  • H
    heidi

    Wenn der Verdacht der Verfassungswidrigkeit besteht, sollte eine der dafür vorgesehenen Stellen es vom Verfassungsgericht überprüfen lassen.

  • H
    Helga

    Wenn man die Kommentare von Heike Haarhoff in der taz liest, könnte man fast meinen, das Deutschland des Jahres 2012 sei schlimmer unter als Kambodscha unter den Roten Khmer. Okay, da haben sie eben mein Baby an den Füßen genommen und gegen einen Baum geschmettert, das war nicht schön -aber das ist natürlich nichts im Vergleich zu der "unsozialen" Pflegereform der Bundesregierung.

     

    Ich schlage Heike Haarhoff für den Preis der dümmsten, lebensunerfahrensten und arrogantesten Person des Planeten vor - und hoffe, dass sie keine Kinder hat. Sie wünscht sich die Roten Khmer zurück - schön für sie, blöd für ihre Kinder.

  • L
    Lena

    Von den Milliarden-Überschüssen der Krankenkassen, die die Versicherten bezahlt haben (!), muss die Praxisgebühr endlich abgeschaftt werden!

     

    Sehr viele Arme können sich wegen der 10 Euro Praxisgebühr pro Quartal keinen Arztbesuch leisten und sie verschleppen deshalb Krankheiten, deren Behandlung später viel teurer wird und/oder an denen sie z.T. sogar sterben.

     

    Das ist menschenunwürdig! U.a. die Sozialverbände müssen die Forderung nach Abschaffung der Praxisgebührenm, die nachgewiesenermaßen insgesamt nicht zu weniger Arztbesuchen führt, viel lauter erheben!

     

    (Die, die sich die Praxisgebühr leisten können, gehen dann pro Quartal eher sehr oft zum Arzt, um auch "etwas für die Gebühr zu kriegen").