Kommentar Kohlekommission: Nicht mehr als ein Anfang
Der Bericht der Kohlekommission stellt einen Einstieg in den Kohleausstieg dar. Um die Klimaziele zu erreichen, braucht es weiter Druck.
E in halbes Jahr lang haben sie intensiv verhandelt, am Ende nochmal 21 Stunden am Stück. Dass sich so unterschiedliche Akteure wie Industrieverbände, Umweltgruppen und Gewerkschaften dabei am Ende auf einen gemeinsamen Kompromiss einigen konnten, ist in diesen Zeiten, in denen die öffentliche Debatte in vielen Bereichen immer aggressiver und unsachlicher wird, schon ein Gewinn an sich.
In der Sache fällt die Bilanz weniger eindeutig aus. Zu den klaren Gewinnern gehören die Bundesländer, in denen die Braunkohlereviere liegen. Sie dürfen sich in den nächsten 20 Jahren über viele zusätzliche Milliarden für den notwendigen Strukturwandel freuen. Auch die Gewerkschaften haben ihr Ziel einer guten Absicherung der Beschäftigten erreicht.
Ob auch das Klima am Ende zu den Gewinnern gehört, bleibt dagegen offen. Klar und positiv sind nur die kurzfristigen Festlegungen für die Zeit bis 2022: Bis dahin sollen nach dem Plan der Kommission so viele zusätzliche Kohleblöcke vom Netz gehen, dass das Klimaziel für 2020 zumindest mit etwas Verspätung halbwegs erreichbar scheint. Und weil die ersten Braunkohlekraftwerke im Rheinland abgeschaltet werden, können dort sowohl der Hambacher Wald als auch ein Teil der bedrohten Dörfer gerettet werden.
Die mittelfristigen Pläne bis 2030 fallen leider schwammiger aus. Weil auf verbindliche Zwischenziele verzichtet wurde, steht nicht fest, wann wie viele Kraftwerke vom Netz gehen. Und auch das Enddatum bleibt mit 2038 – und der Option, es auf 2035 vorzuziehen, hinter dem zurück, was möglich und für das 1,5-Grad-Ziel nötig wäre.
Trotz der ungleichen Erfolge scheint es insgesamt vernünftig, dass die Umweltverbände diesem Ergebnis zugestimmt haben. Der Einstieg in den Kohleausstieg findet mit dieser Einigung definitiv schneller statt als ohne. Das verbessert die deutsche Klimabilanz kurzfristig deutlich. Und die mittel- und langfristigen Ziele können, sofern sie sich durch immer günstigere erneuerbare Energien und steigende CO2-Preise nicht von allein nach vorne verschieben, auch im Rahmen dieses Konsenses noch weiter verschärft werden.
Dass Basisbewegungen wie Ende Gelände oder die streikenden SchülerInnen den Kompromiss ablehnen, ist angesichts der klimapolitischen Schwächen ebenfalls nachvollziehbar – und hilfreich. Denn der Beschluss der Kohlekommission ist ein guter Start für den weiteren Prozess – nicht weniger, aber auch nicht mehr. Bis zum tatsächlichen Ende der Kohlenutzung wird noch viel gesellschaftlicher Druck erforderlich sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker