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Kommentar KirchentagUnd wo blieb das Ja zu Europa?

Jan Feddersen
Jan Feddersen
Kommentar von Jan Feddersen und Jan Feddersen

Der Hamburger Kirchentag begnügt sich mit Allfälligem und Wohlfeilem. So verfehlt er seinen jesuanischen Selbstanspruch.

E s ist schön und nicht hässlich, wenn sich eine gesellschaftliche (und gesellige) Institution wie der Evangelische Kirchentag hinlänglich um die guten Themen kümmert. Etwa den Einsatz von Drohnen verurteilt, Uranmunition oder Kriegswaffenproduktion ablehnt. Nicht minder okay ist es bei dieser Gelegenheit, der ohnehin begonnenen Energiewende durch ein resolutionäres Ja weiter aufzuhelfen. Auf keinen Fall soll schlecht geredet werden, dass – natürlich – auch der Schuldenerlass für die Dritte Welt innig gewünscht wurde und wird. Menschenhandel, etwa auf dem Feld der Prostitution, findet gleichfalls keine Zustimmung.

Aber was soll von solchen Bekundungen gehalten werden, die in der Bundesrepublik beinah Binsenweisheiten gleichkommen: Wer stellte sich schon hin und sagt: Ich finde das Problem mit den Drohnen kompliziert, Menschenhandel ein viel zu plakatives Wort für irritierend schwierige Problemlagen, die in Osteuropa mit notorisch hohen Arbeitslosenraten zu tun haben. Wer würde denn, zumal auf einem Kirchentag, ernsthaft sagen, nein, wir haben momentan andere Fragen zu beantworten als die nach Verantwortung für die ganze Welt.

Dann müsste nicht von Schuldenerlassen für die Dritte Welt die Rede sein, sondern von sehr konkreter Finanzhilfe Deutschland (und der Regierung Merkel) für die Länder der EU in Südeuropa. Zu sprechen wäre dann darüber, dass gerade deutsche Lohndumping- und Entschuldungserpressungspolitik die Länder des Südens an die Ränder von Bankrotten geführt hat und dies noch tut. Wäre eine gewichtige Veranstaltung auf dem Kirchentag nicht ein gutes Mittel gewesen, den Streit deutlich zu suchen: Kommen Zinssenkungen der EZB nicht auch Enteignungen von Vermögen von Kleinsparern und Lebensversicherten gleich?

Zu monieren ist auch, dass der nächste Woche beginnende Prozess gegen die mutmaßliche NSU-Terroristin Beate Zschäpe für die protestantischen Kirchen Nöte nach sich zieht: Es gälte, die eigene Jugendarbeit sehr bewusst auf den (christlichen) Kampf gegen völkisches Denken, gegen nationalsozialistisches Gedankengut in jugendlichen Milieus einzustellen – und für ein libertäres Miteinander gerade in einem multikulturellen Land zu werben?

Bild: taz
Jan Feddersen

ist Redakteur für besondere Aufgabenbei der taz.

Der Kirchentag muss auch politisch sein, sonst verfehlte er seinen jesuanischen Selbstanspruch. Das Hamburger Festival hingegen begnügte sich, leider, mit Allfälligem und Wohlfeilem. Wie schade – sie könnten es besser!

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Jan Feddersen
Redakteur für besondere Aufgaben
Einst: Postbote, Möbelverkäufer, Versicherungskartensortierer, Verlagskaufmann in spe, Zeitungsausträger, Autor und Säzzer verschiedener linker Medien, etwa "Arbeiterkampf" und "Moderne Zeiten", Volo bei der taz in Hamburg - seit 1996 in Berlin bei der taz, zunächst in der Meinungsredaktion, dann im Inlandsressort, schließlich Entwicklung und Aufbau des Wochenendmagazin taz mag von 1997 bis 2009. Seither Kurator des taz lab, des taz-Kongresses in Berlin,und des taz Talks, sonst mit Hingabe Autor und Interview besonders für die taz am Wochenende. Interessen: Vergangenheitspolitik seit 1945, Popularkulturen aller Arten, besonders des Eurovision Song Contest, politische Analyse zu LGBTI*-Fragen sowie zu Fragen der Mittelschichtskritik. RB Leipzig-Fan, aktuell auch noch Bayer-Leverkusen-affin. Und er ist seit 2011 mit dem in Hamburg lebenden Historiker Rainer Nicolaysen in einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft, seit 2018 mit ihm verheiratet. Lebensmotto: Da geht noch was!
Jan Feddersen
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Einst: Postbote, Möbelverkäufer, Versicherungskartensortierer, Verlagskaufmann in spe, Zeitungsausträger, Autor und Säzzer verschiedener linker Medien, etwa "Arbeiterkampf" und "Moderne Zeiten", Volo bei der taz in Hamburg - seit 1996 in Berlin bei der taz, zunächst in der Meinungsredaktion, dann im Inlandsressort, schließlich Entwicklung und Aufbau des Wochenendmagazin taz mag von 1997 bis 2009. Seither Kurator des taz lab, des taz-Kongresses in Berlin,und des taz Talks, sonst mit Hingabe Autor und Interview besonders für die taz am Wochenende. Interessen: Vergangenheitspolitik seit 1945, Popularkulturen aller Arten, besonders des Eurovision Song Contest, politische Analyse zu LGBTI*-Fragen sowie zu Fragen der Mittelschichtskritik. RB Leipzig-Fan, aktuell auch noch Bayer-Leverkusen-affin. Und er ist seit 2011 mit dem in Hamburg lebenden Historiker Rainer Nicolaysen in einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft, seit 2018 mit ihm verheiratet. Lebensmotto: Da geht noch was!
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7 Kommentare

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  • H
    Hmpf

    Also ich weiß ja nicht, wo der verehrte Autor bei den Großpredigten gewesen ist, aber der Wert von Arbeit wurde mehr als einmal thematisiert... Das Motto war ja "Soviel du brauchst" und wieviel das ist, wurde auch mehr als einmal zu definieren versucht, durchaus widersprüchlich. Wieviel ein Mensch zu einem vernünftigen Leben braucht, damit war auch Leben gemeint und nicht Über-leben, wurde definiert als mehr als nur eine geldwerte Entlohnung, es ging um Bildungschancen, Gleichberechtigung, Gerechtigkeit z.B. in der Finanzwelt usw.

    Und wer sich die ganzen Führungen von jüdischer und muslimischer Seite hinzunimmt, kann auch den Vorwurf entkräften, die Ev. Kirche würde nichts gegen Feindlichkeit gegenüber Andersgläubigen und gegen Rechts tun.

  • I
    Irmi

    Schmidt Georg:

    super Kommentar.

     

    Wichtig, sagen die Deutschen Ja zu Europa ????????

    Haben wir den "Durchblick" wie es wirklich läuft ? Oder wird wie immer alles schön geredet, das es uns ja so gut geht hier, das die Wirtschaft boome wie schon lange nicht mehr, keiner Grund hätte zu jammern ?

     

    Lest das Buch "Showdown" von Dirk Müller, da sieht man einiges klar.

     

    Früher dachte ich auch, hätten die nicht so verschwenderisch gelebt, was im Grunde auch stimmt. Aber seit ich das Buch kenne, scheint hinter all dem irgendwie System zu stehen. Griechenland, Zypern, Spanien müssten nicht vor der Pleite stehen, wären da nicht die polit. Hindernisse ihr Öl und Gas verkaufen zu können. Wie ist das erklärbar, das Länder die solch unglaubliche Mengen davon haben wie kein anderes Land dieser Welt (schon gar nicht die USA)in die Pleite geht ?

     

    Und wie ist es dann mit Deutschland, warum müssen wir uns über die Maßen verschulden um eben auch diese Länder zu retten, wenn die so viel Gas und Öl haben, das sie eher heute als morgen ihre gesamten Schulden zahlen könnten.

     

    Wir werden belastet, unsere Rentner wissen nicht mehr wie sie überleben sollen, dann ist alles nur Politik wie man billigst an Öl und Gas kommt aus den zu retten den Ländern ?????????????

  • SG
    Schmidt Georg

    gerade Jesus sagte doch: geb dem Kaiser, was des Kaisers ist und Gott was Gottes ist, Jesus war eben kein Träumer, sondern ein Realist, viele dieser Träumervom Kirchentag werden wohl aufwachen,wenn es um ihr Geld geht, solang man vom Steuerzahler ausgehalten wird, kann man leicht reden, sie sind wie die Vögel am Himmel-sie säen nicht, sie ernten nicht und trotzdem ernährt sie der deutsche Steuerzahler!

  • E
    ennui

    @ ridicule,

    like!

     

    Aber jeder hätte gewarnt sein können:

    »»»

    Jan Feddersen

    ist Redakteur für besondere Aufgabenbei der taz.

    »»»

  • I
    irmi

    Wie kann man ja zu Europa sagen im Sinne von Länder aufnehmen die schon vor Eintritt so gut wie pleite sind. Wie soll man ja sagen zu Europa wenn man verfolgen kann, das diese Länder durch den Euro kaputt gegangen sind und die deutschen Steuerzahler die Hauptlast dieses Dramas zu tragen haben.

     

    Und wenn man Fachleuten glauben kann, dann ist Deutschland schwer auf der Kippe und dann geht es uns wie Griechenland, Spanien, Zypern, Island, jetzt auch Italien und bald Frankreich.

     

    Ja zum Euro oder Europa? NEIN danke

  • M
    Mike

    Diese evangelische Kirche ist schon länger kaum mehr als ein Gemischtwarenladen für das Wohlgefühl seiner Mitglieder. Sozusagen der spirituelle Flügel der Grünen und ihre Fans. Das ist dann so "jesuanisch" wie eine Rundfunkratmitgliedschaft eben sein kann. Der Marsch durch die Instutionen ist auch, ja erst recht dort schon lange zu seinem Ende gekommen.

  • R
    ridicule

    "…verfehlt seinen jesuanischen Selbstanspruch!"

     

    Dunnerwedder!

    "Jung, geh' in's Bett, besseren Witz machste heut'

    nich' mehr."( ming Mouder solchenfalls).

     

    Aber sonst noch alles contest, odr?