Kommentar Katholische Kirche: Endlich jemand ohne Furcht
Die Wahl des konservativen Reinhard Marx zum Oberhirten der deutschen Katholiken ist gut. Denn er ist flexibel genug, um mit seinen Gegnern zu reden.
D a sage noch einer, Demokratie passe nicht in die katholische Kirche: Das Votum für Reinhard Marx beweist das Gegenteil. Die Entscheidung der deutschen Bischofskonferenz, den machtbewussten Münchner als ihren obersten Moderator zu wählen, ist eine gute. Denn dieser Mann hat keine Angst.
Und das ist schon viel in der katholischen Kirche von heute. Mitgliederschwund, Missbrauch, die Kluft zwischen Lehre und Leben, die Globalisierung, das Internet und wie diese satanischen Versuchungen alle heißen, haben viele Kirchenvertreter zurück in die Festung der Orthodoxie getrieben. Da sitzen sie hinter hochgezogenen ideologischen Zugbrücken, nennen ihren Angstkomplex den wahren Glauben und mosern über die angeblich verdorbene Welt da draußen.
So einer ist Marx nicht. Er ist konservativ, klar. In Fragen der Sexualethik und der Morallehre weicht er keinen Schritt von der vatikanischen Linie ab. Frauen werden mit ihm keinen Platz am Altar bekommen, Homosexuelle keine großen Fortschritte. Aber Marx ist flexibel und angstfrei genug, mit seinen Gegnern zu reden, das Gemeinsame zu betonen.
Und auch den kircheninternen Bremsern kann er mit Roms Hilfe auf die Füße treten. Oft sagt er in der Sache nichts anderes als Kardinal Meisner. Aber bei Marx hat man wenigstens nicht den Eindruck, der Scheiterhaufen werde schon mal vorgewärmt.
Das ist mehr als nur ein gefühlter Vorteil. Denn die Stimmen der Kirchen werden für viele Debatten dringend benötigt. Bei der Bioethik, der Zähmung des Kapitalismus, dem kommenden Pflegenotstand, der Wertedebatte oder den globalen Problemen von Armut und Umweltzerstörung braucht es sprachfähige Religionsgemeinschaften. Man muss keineswegs im Detail mit ihnen übereinstimmen. Aber ein ordentlicher Streit ist schon mal ein guter Anfang.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Trump und die Ukraine
Europa hat die Ukraine verraten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Trump und Putin
Bei Anruf Frieden