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Kommentar KapitalfluchtDas Märchen vom scheuen Kapital

Kommentar von Nicola Liebert

Dass es im Kampf gegen Kapitalflucht Fortschritte gibt, ist den zahlreichen Datenlecks zu verdanken. Die traditionelle Politik der Steuerentlastungen ist aus der Mode gekommen.

Früher die größte Angst: Das schreckhafte Kapital flüchtet. Bild: dpa

D as Kapital ist halt ein scheues Reh. Mit treuherzigem Augenaufschlag vorgetragen, diente dieser Spruch jahrzehntelang als Rechtfertigung für immer neue Steuererleichterungen für Unternehmen und Vermögende. Jahrzehntelang tat die Politik nicht nur hierzulande so, als gäbe es keinerlei Mittel, ein an sich doch so wehrloses Tier wie das Reh einzufangen.

Lieber gestaltete man das steuerliche Umfeld so, dass sich das liebe Tierchen daheim nicht gar so unwohl fühlt. Da wurden wiederholt die Körperschaftsteuern gesenkt, die Spitzensätze der Einkommensteuer und zuletzt die Kapitalertragsteuer. Wer mit angelegtem Geld sein Geld verdient, ist seither daher besser gestellt als jemand, der das mit schnöder Arbeit tut.

Die Vermögensteuer wurde übrigens gleich ganz abgeschafft, was damals durchaus im internationalen Trend lag. Doch spätestens seit der Enthüllung von Millionen von Dokumenten über die Tricks, mit denen Vermögende aus aller Welt ihr Geld vor dem Fiskus in Sicherheit bringen, zieht das Argument nicht mehr. Das schreckhafte Kapital findet in den Steueroasen kaum noch Schutz.

Nicola Liebert

ist Autorin der taz.

Die Politiker selbst haben sich dabei allerdings nicht mit Ruhm bekleckert, wie zuletzt das inzwischen gescheiterte Steuerabkommen mit der Schweiz zeigte, das Steuerhinterziehern Anonymität garantieren sollte. Dass es im Kampf gegen Kapitalflucht, Steuerhinterziehung und die Steueroasen dennoch Fortschritte gibt, ist im Wesentlichen nur den inzwischen immer zahlreicheren Datenlecks zu verdanken.

Unverständlich für das Wahlvolk

Die traditionelle Politik der Steuerentlastungen und der Großzügigkeit gegenüber Steuervermeidern ist im Zuge der Finanz- und Eurokrise jedoch ohnehin ein wenig aus der Mode gekommen. Dem Wahlvolk ist es schwer zu vermitteln, dass für Kitas oder die Energiewende kein Geld da ist, während zugleich die öffentliche Hand auf mögliche Steuereinnahmen großzügig verzichtet.

Nicht einmal die FDP glaubt mehr daran, dass sich mit Steuersenkungen als einzigem politischen Programmpunkt noch Wahlen gewinnen lassen. Jetzt gibt es eigentlich keinen Grund mehr, warum die Regierung sich nicht an die Wiedereinführung der Vermögensteuer, die Abschaffung der großzügigen Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge, eine Reform der Unternehmensbesteuerung und die Anhebung des Spitzensatzes bei der Einkommensteuer macht.

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8 Kommentare

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  • T
    Trosia

    Kann uns jemand bitte einfach mal erklären, wie viele Schweizer unter den Offshorern zu finden sind? Ich könnte mir vorstellen, dass es daraus vielleicht etwas zu lernen gibt. Über Rehe und Raubtiere und Grosswildjäger. Das ist mir hier alles zu besserwisserisch, liebe Presse.

  • P
    Peter

    Und wo ist die Bewegung, oder die politische Partei die das alles interessiert und wirklich weiterbringt?? Ob ich das noch erlebe?

  • W
    Wolfgang

    An die real herrschende und regierende Finanz- und Monopolbourgeoisie, an deren Bankenvorstände und Finanzspekulanten, an deren Steuerhinterzieher und bürgerliche Parteien: CDU-CSU-SPD-FDP-NPD-Olivbündnisgrün, in Lobby-Regierungen und Parlamentsmehrheiten, in deren spätbürgerlichen Staat und BKA-VS-BND-BW-Gewaltapparat, deren Klassen-Justiz und Gesellschaft:

     

    "Ihr entsetzt euch darüber, dass wir das Privateigentum aufheben wollen. Aber in eurer bestehenden Gesellschaft ist das Privateigentum für neun Zehntel ihrer Mitglieder aufgehoben; es existiert gerade dadurch, dass es für neun Zehntel nicht existiert. Ihr werft uns also vor, dass wir ein Eigentum aufheben wollen, welches die Eigentumslosigkeit der ungeheuren Mehrzahl der Gesellschaft als notwendige Bedingung voraussetzt.

     

    Ihr werft uns mit einem Worte vor, dass wir euer Eigentum aufheben wollen. Allerdings, das wollen wir." (Ein weiterhin aktuelles Plagiat.)

  • J
    jenny

    Wenn ca. 1/3 der 17000 Mia. Eu. "offshore-vermögen"

     

    aus dem EU-Raum stammen, dann sind dies über 5000

     

    Mia. Eu.

     

    die EU. könnte den ganzen ESM-Rettungsschirm durch

     

    eine 15% Abgabe auf das OffshoreVermögen der reichen

    EU-Bürger voll kapitalisieren, meinetwegen noch mit

    nachrangigen Genussscheinen zu 3%.

     

    Aber das wird kaum geschehen, solange ein Barroso

     

    selbst freundschaftlichst mit griechischen Gross-

     

    reedern verbandelt ist, die teils eigene Banken in Genf haben !!

     

    Wer glaubt schon, dass eine Krähe der anderen ein

     

    auge raushackt ?!

     

    Nein, es dürfen die Normalbürger Südeuropas die

    harten Austerityprogramme ausbaaden, während ihre

    Reichen im Luxus Austern schlürfen.

     

    Und die relativ solide wirtschaftenden Nordeuropäer dürfen die Rettungs-unsummen 800 Mia. Eu. beisteuern

     

    obwohl es ein Leichtes wäre die Mittel von den

     

    Verursachern zu holen s. oben !!

  • C
    Celsus

    Da stimme ich zu: Die Angst vor der Kapitalflucht wird interessengesteuert geschürt.

     

    Ganz witzuig finde ich, dass die Vermögenssteuer heutzutage als "linke" Steueridee zählt. War das doch eine Steuer, die selbst noch unter Bundeskanzuler Kohl wie selbstverständlich eingenommen wurde - bis das Bundesverfassungsgericht das GEsetz in seiner damaligen Fassung für verfassungswidrig erklärte.

     

    Freilich hat das Gericht mitnichten Vermögenssteuer für verfassungswidrig erklären wollen. Es ging lediglich darum, dass zum Teil der korrekte Wert von Vermögen angesetzt wurde und gerade bei Grundstücken fiktiv niedrige Werte.

     

    Was die Steuergerechtigkeit betrifft: Bei den oberen 10 % der Bevölkerung wird doch kaum Einkommenssteuer gezahlt und die Vermögen wachsen jährlich um weit mehr als 10 %. Da sollte mal mit 5 % Vermögenssteuer angesetzt werden - schon aus Gründen der Steuergerechtigkeit. "Kleine Vermögen" unterhalb von 5 Mio. Euro könnten dann durchaus in Ruhe gelassen werden.

  • JJ
    Jared J. Myers

    Das scheue Rehlein haut sowieso ab

     

    Offenbar haben die tollen Spitzen-, Erbschafts- und Kapitalertragssteuersenkungen, die Steuerfreistellungen von Veräußerungsgewinnen und die Abschaffung der Vermögenssteuern in den OECD-Ländern überhaupt nicht vermocht, die großen Kapitaleigner von den Kiesstränden, Aschekegeln und Kohlebunkern fernzuhalten. Beschiss lohnt sich stets, wenn der heimische Steuersatz verschieden von null Promille ist, so lange man mit dem Herrn Oberstaatsanwalt regelmäßig in die Sauna geht und per Hetzpresse oder Verrückterklärung (siehe Hessen) ggf. die Verfolger verfolgen darf.

    Man muss also dafür sorgen, dass das Kapital, das solche Möglichkeiten eröffnet, sich nicht mehr in Privatbesitz anhäuft.

  • W
    Wolfgang

    "Soziale Marktwirtschaft" und Kapitalflucht gehören zusammen!

     

    Notwendige Wiederholungen zur Steuerunterschlagung bzw. Volks-Vermögensunterschlagung.

     

    Die "Soziale Marktwirtschaft" ist die Gesellschaftsordnung der (Steuer-) Unterschlagung der real herrschenden und parlamentarisch geschützten Bourgeoisie.

     

    Staatlich geschützte Steuerhinterziehung der Millionäre und Milliardäre gehört zur "sozialen Marktwirtschaft" der Finanz- und Monopolbourgeoisie.

     

    Steuerunterschlagung gehört zum kapitalistischen Gesellschafts- und Finanzsystem in der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union.

     

    Es handelt sich um (unterschlagene) Mittel für die soziale Reproduktion der Gesellschaft.

     

    Ausnahmslos alle bürgerlichen Parteien, Regierungen und Parlamentsmehrheiten in Deutschland und der Europäischen Union, stehen für die herrschenden privaten Eigentums- und Vermögensverhältnisse, und damit für die Finanzspekulanten und Steuerhinterziehungen in der kapitalistischen Gesellschaftsordnung bzw. der "Sozialen Marktwirtschaft" der Finanz- und Monopolbourgeoisie, der Bankenvorstände und Konzernvorstände und deren Aufsichtsräte, der Großspekulanten und Steuerhinterzieher.

     

    Die rechtlich-juristisch und staatlich geschützte Steuerhinterziehung im staatsmonopolistischen Kapitalismus Deutschlands und der Europäischen Union, dient der fortwährenden Unterschlagung von Mitteln für die soziale Reproduktion der Bevölkerungsmehrheit in den Ländern und Regionen. Die große Steuerhinterziehung ist ein Verbrechen an den Bevölkerungen, insbesondere an der differenziert werktätigen und eigentumslosen, wert- und mehrwertschöpfenden Bevölkerungsmehrheit.

     

    Auch in der bundesdeutschen Gesellschaftsordnung der (A)"Sozialen Marktwirtschaft" der Bourgeoisie und Steuerunterschlagung, wird es seitens deren bürgerlichen Parteien, seitens des Staates, seitens der Lobby-Regierung und Parlamentsmehrheit, keine durchgreifenden Maßnahmen gegen die Privateigentümer, Großverdiener und deren Steuerhinterzieher geben!

     

    Kapitalflucht gehört zum kapitalistischen und imperialistischen Gesellschaftssystem in Deutschland und EU-Europa!

     

    Merke: Eine Überwindung bedürfte schon einer Emanzipation der Gesellschaft.

  • AO
    arme Oase

    Ich glaube nicht, dass sich durch "offshore-leaks" (ein fürchterlicher Begriff) im deutschen oder internationalen Steuerrecht etwas entscheidendes ändert. Aus der letzten Finanzkrise sind die internationalen Banken und Börsenspekulanten als die großen Gewinner hervorgegangen durch Unterstützung aller finanziell wichtigen Staaten und Institutionen. Das wird so bleiben. Egal wie laut jetzt international geschrien wird.