piwik no script img

Kommentar Journalistenmord in MexikoAbsoluter Machtanspruch

Bernd Pickert
Kommentar von Bernd Pickert

Die Behörden vermuten, Rubén Espinosa sei nur zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen. Aber kritische Journalisten sind in Mexiko vogelfrei.

03.8.2015: Demo in Mexiko-Stadt für den ermordeten Rubén Espinosa. Foto: reuters

E s ist nicht vollkommen ausgeschlossen, dass die mexikanischen Ermittlungsbehörden mit ihrer Vermutung recht haben, der Pressefotograf Rubén Espinosa sei einfach nur „zur falschen Zeit am falschen Ort“ gewesen, als er zusammen mit vier Frauen in einer Wohnung in Mexikos Hauptstadt von bisher Unbekannten gefoltert und ermordet wurde.

Nur: Sehr wahrscheinlich ist das nicht. Plausibler ist vielmehr, dass es andersherum war: dass also die vier getöteten Frauen „zur falschen Zeit am falschen Ort“ waren, als die Mörder kamen, um den Fotografen zu töten.

Der Bundesstaat Veracruz, wo Espinosa soziale Bewegungen und Polizeiübergriffe dokumentierte, steht an der Spitze der Journalistenmorde in Mexiko. Der Gouverneur des Bundesstaats hetzte mehr oder weniger offen mit, wenn es gegen Journalisten ging – und tat keinen Handschlag dafür, auch nur einen der zwölf Morde an Journalisten in drei Jahren seiner Amtszeit aufzuklären.

Und trotz aller Rhetorik gegen Korruption und organisiertes Verbrechen, die Mexikos Präsident Enrique Peña Nieto immer mal wieder gern an den Tag legt: Auch Mexikos Bundesregierung lässt kritische Journalisten auf eine Weise im Stich, dass sie de facto vogelfrei sind. Dass es überhaupt noch welche gibt, die sich um Recherchen auch zu heiklen Themen bemühen, grenzt an ein Wunder.

Zumal ihre Arbeit im Grunde für die Katz ist. Wo Korruption, Vetternwirtschaft und enge Verbindungen zwischen staatlichen Institutionen aller Ebenen mit dem organisierten Verbrechen ein solches Ausmaß angenommen haben wie in Mexiko, da ist auch die „vierte Gewalt“ machtlos.

Das System ist ja nicht deshalb so, weil die Mexikaner es nicht verstehen würden oder nichts darüber wüssten. Kritische Journalisten zu ermorden, ist insofern gar nicht mehr notwendig. Aber es ist ein Signal für alle: Niemand ist sicher. Der Machtanspruch ist absolut, jede Gegenwehr sinnlos, die Gewaltenteilung abgeschafft.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Bernd Pickert
Auslandsredakteur
Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. Bluesky: @berndpickert.bsky.social In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org
Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!