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Kommentar Jenas fabelhafte VäterUnd manches bewegt sich doch

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Das Private kann sich ändern, wenn Firmen nicht nur auf kinderlose Leistungsträger setzen. Der Fall Jena beweist: Familien müssen Druck machen.

Väter, die mit Kindern spielen? Geht doch Foto: dpa

W as sagt die Nachricht, dass 58 Prozent der Väter in Jena seit 2014 Elternzeit genommen haben, über die Familienfreundlichkeit in der thüringischen Stadt aus? Erst mal so viel: In der Stadt mit den prozentual meisten „aktiven“ Vätern wird es Männern offensichtlich leichter gemacht, Vätermonate inklusive Elterngeld in Anspruch zu nehmen. Weil sie nicht fürchten müssen, durch ihre familiär bedingte Auszeit im Job degradiert oder belächelt zu werden. Weil sie nach der intensiveren Familienphase in Teilzeit und im Home Office arbeiten können, auch als Chefs.

All das geht dort sichtbar leichter als anderswo in der Republik. Unter anderem durch das „Bündnis für Familie“, einem lokalen Zusammenschluss von Unternehmen, Wissenschaftseinrichtungen und Behörden, die Familienfreundlichkeit nicht nur als Slogan vor sich her tragen, sondern tatsächlich ernst meinen. Jena ist ein Beispiel dafür, dass etwas so Schwieriges wie gelebte Familiengerechtigkeit machbar ist, sobald sie politisch konsequent umgesetzt wird. Wenn knappe Gelder in Kitas, Ganztagsschulen, Horte, Sporthallen und in den öffentlichen Nahverkehr investiert werden. Wenn Unternehmen unterstützt werden, die nicht nur auf kinderlose LeistungsträgerInnen setzen.

Familiengerechtigkeitist machbar, wenn sie politisch umgesetzt wird

Längst entscheiden junge, gut ausgebildete Menschen, die Familien gründen wollen oder schon gegründet haben, die Wahl ihres Jobs nach der Flexibilität der Firma: bei der Arbeitszeit, ob es eine Betriebskita gibt oder die Möglichkeit für ein Sabbatical. So entsteht der Kulturwandel, nach dem allerorten gerufen wird.

Geld alleine ist es nicht

Die 58 Prozent sagen aber noch etwas anderes aus: Es ist nicht allein das Elterngeld, das einen (finanziellen) Anreiz schafft, Müttern und Vätern zu gleichen Chancen und Rechten zu verhelfen – beruflich wie familiär. Es ist stets das „Gesamtpaket“ aus unterschiedlichen familienpolitischen Maßnahmen, die Vereinbarkeit von Job und Familie erst möglich machen. Familienfreundlichkeit gedeiht, wo Menschen gern zusammen mit Kindern leben und nicht jede Kita wegen Lärmbelästigung weggeklagt wird.

Wo das gegeben ist, lassen sich Familien gern nieder. Insofern ist Jena mit seinen 58 Prozent „aktiven“ Vätern zwar weit vorn. Aber noch lange nicht Spitze. Spitze sind 100 Prozent.

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Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
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1 Kommentar

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  • Ich wünschte, es gäbe bei der taz nicht nur eine Kalauer-Kasse, sondern auch ein Sparschwein, in das jeder, der unreflektiert das Macho-Wort "Druck" verwendet, pro Fall 10 Euro einzahlen muss.

     

    Die gute Nachricht ist: Nein, Familien brauchen keinen "Druck" zu machen. Sie müssen einfach nur selbstbewusst und konsequent tun, was zu tun und im Übrigen auch nicht verboten ist.

     

    Wenn genügend junge, gut ausgebildete, moderne Väter mitmachen beim Tun-was-man-nicht-lassen-sollte, bewegen sich die Unternehmen freiwillig. Zumindest in Städten wie Jena, die "Leuchtturm" sind unter den Kommunen eines Bundeslandes, das als innovativer, relativ wachstumsstarker Einäugiger unter mehreren Blinden (Fünf neue Länder) gilt.

     

    Die schlechte Nachricht lautet leider: Wo die Wirtschaft schrumpft anstatt zu wachsen, hilft es auch nicht, junge, gut ausgebildete, moderne und solidarisch zu sein. Da nämlich werden Leute, die sich das Recht herausnehmen, das Richtige zu tun, einfach links liegen gelassen mit ihrer berechtigten Forderungen nach mehr Geschlechtergerechtigkeit. Im Rattenrennen um die eigne Existenz muss deutschen Unternehmen die Moral am A...sch vorbei gehen - glauben sie zumindest.

     

    Merke: Im luftleeren Raum sind die Regeln der Physik irrelevant.