Kommentar Impfkosten: Ein Stück Daseinsvorsorge
Die Impfkosten für die Schweinegrippe soll der Staat zahlen. Wer Milliarden für marode Bankhäuser übrig hat, darf an der Gesundheit seiner Bürger nicht sparen.
D eutschland im Schweinegrippen-Fieber: Nachdem wochenlang jedes Hüsteln eines Flugreisenden in der "Tagesschau" gemeldet wurde, erreichen die Ansteckungszahlen jetzt die Ausmaße einer normalen, akuten Grippewelle. Schon schlagen die Nebenwirkungen bis zu den Krankenkassen durch.
Die wollen auf die Kostenbremse treten. Womöglich aber an der falschen Stelle. Zusatzkosten von 600 Millionen Euro für die Schutzimpfung der Deutschen seien nicht aus der Portokasse zu bezahlen, mosern sie und verlangen Zusatzbeiträge oder Beitragsanhebungen, weil ihre Budgets angeblich ins Rutschen kommen.
Richtig ist, dass Impfungen in dem Ausmaß wie jetzt gegen die neue Influenza nicht zum Routinegeschäft der Kassen gehören. Klar muss aber auch sein, dass die Kosten nicht auf die Versicherten abgewälzt werden.
Die Schutzimpfung ist sinnvoll und Bestandteil staatlicher Daseinsvorsorge. In Zeiten, da Hunderte von Milliarden in marode Bankhäuser gesteckt werden und Porsche-Chefs 50 Millionen Flaschenpfand kassieren, sind 600 Millionen für die Krankheitsvorsorge eines ganzen Landes eher peanuts und sicher nicht beitragsrelevant.
Dass die Kassen aufs Geld achten, ist angesichts der Hysterie durchaus notwendig. Zum Beispiel Tamiflu. Das teure Grippemittel sollte nicht länger wie Smarties verordnet werden. Viele Fachleute sagen, dass die neue Grippe in der Regel so harmlos verlaufe, dass sie auf jede antivirale Arznei verzichten würden. Sie sollten es lauter sagen, denn die Resistenzbildung könnte bei Dauerverordnungen schnell zum ernsten Problem werden.
Im Übrigen ist zu prüfen, ob nicht Verlegerverband und deutsches Fernsehen, die aus dem Hype um die "Todesgrippe" (Bild) täglich Honig saugen, einen Teil der Impfkosten tragen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen