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Kommentar IWF, Syriza und GriechenlandDer Verlierer heißt Schäuble

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Während Syriza sich in parteiinternen Kämpfen verliert, stoppt der IWF seine Hilfe. Mit beiden Ereignissen wird die Position Deutschlands geschwächt.

Westerland oder Piräus? Wolfgang Schäuble wird es wissen. Foto: dpa

U nd der Verlierer heißt: Finanzminister Schäuble. Er macht zwar derzeit Urlaub auf Sylt und scheint mit den jüngsten Ereignissen rund um Griechenland nichts zu tun zu haben – aber am Donnerstagabend fielen gleich zwei Entscheidungen, die die deutsche Position schwächen.

Das erste Ereignis fand in Athen statt, wo sich das Zentralkomitee der linken Regierungspartei Syriza traf. Premier Alexis Tsipras setzte sich gegen seine parteiinternen Kritiker durch, so dass Schäuble seine Hoffnung vorerst aufgeben muss, dass es in Griechenland alsbald zu Neuwahlen kommt – und dann eine Regierung die Macht übernehmen könnte, die brav und ohne Widerworte die deutschen Ansagen umsetzt. Diese Idee entbehrte zwar schon immer jeder Realität, aber jetzt wird selbst Schäuble einsehen müssen, dass er Tsipras nicht wieder los wird.

Die zweite Entscheidung fiel im fernen Washington: Der IWF wird sich vorerst nicht an einem dritten Hilfspaket für Griechenland beteiligen. Bevor der Fonds wieder Geld gibt, verlangt er einen Schuldenschnitt. Materiell ist der IWF-Ausstieg kein Problem: Die Eurozone ist reich genug, um Griechenland auch ohne externe Hilfe zu unterstützen. Doch der Imageschaden ist immens, vor allem für Schäuble. Denn die ultimative Ansage aus Washington zertrümmert das deutsche Konzept, die Schuld immer nur einseitig bei den Griechen zu suchen.

Noch ist Urlaubszeit, aber die Schonfrist ist kurz. Am 20. August muss das nächste Hilfsprogramm für Griechenland stehen, weil dann Schulden bei der EZB fällig werden, die das Land allein nicht bezahlen könnte. Schäuble hat also nur drei Wochen, um sich eine neue Strategie zurecht zu legen. Das wird noch interessant.

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Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
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6 Kommentare

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  • Mit dieser polemischen Headline steht die TAZ mal wieder so ziemlich alleine da. Man führe sich doch den Artikel in nytimes http://www.nytimes.com/2015/07/30/world/europe/how-germany-prevailed-in-the-greek-bailout.html?ref=europe&_r=0

    zu Gemüte, der sehr detailiert die Vorgänge der letzten Wochen dokumentiert und analysiert.

    Interessant ist auch die Tatsache, dass es hauptsächlich angelsächsische, selbsternannte Ökonomen sind, die die europäiche Politik geisseln. 'Cui bono' fragt man sich da. Anstatt die Eliminierung der griechischen Bonzenprivilegien zu verlangen drischt man auf das Standardfeindbild, die Mitte-Rechts-Regierung ein.

  • ...der Verlierer heisst nicht 'Schäuble', der Verlierer heisst 'Europa'!

  • Was Schäuble angeht, freuen Sie sich nicht zu früh. Das Thema Neuwahlen ist längst noch nicht vom Tisch und Syriza hat die Zerreißprobe, die ihr Schäuble aber auch Tsipras auferlegt haben, noch lange nicht überstanden. Es ist auch ziemlich naiv, zu glauben, der IWF habe in der Griechenland-Frage begonnen, umzudenken. Für den IWF hat sich Griechenland schlicht und einfach "als Schuldner disqualifiziert" (O-Ton IWF). Jede weitere Investition in Griechenland (3. Hilfspaket) sieht der IWF daher als unverantwortlich hohes Risiko an. Frau Lagardes Ausweg ist der, dass die europäischen Partner auf ihre Forderungen verzichten sollen, wodurch die Forderungen des IWF - die selbstverständlich unbeschnitten bestehen bleiben - ungleich höhere Chancen haben, bedient zu werden. Außerdem muss sich Griechenland (mal wieder) "auf ein überzeugendes Reformprogramm einlassen", falls sich der IWF an einem 3. Hilfspaket beteiligen soll. Den IWF interessiert in diesem Zusammenhang nur eins: Die Absicherung seiner an Griechenland vergebenen Kredite - koste es was (oder besser wen) es wolle.

  • Nichts Neues unter der (griechischen) Sonne !

    In Ihrem Kommentar vom 29.06.2015 hatten Sie , Frau Herrmann , geschrieben : "Das Geldsystem beruht auf Vertrauen, das nun zerstört ist. Selbst wenn die Griechen im Euro bleiben sollten: Das Ende der Währungsunion hat begonnen." , und : "Der Euro wird von innen gesprengt , während er noch existiert."

    Nun ja , "zerstört" kann das Vertrauen noch nicht ganz sein , denn die Währung gibt's noch , ohne dass etwa ein ein naher Zeitpunkt ihres Krachs in Sichtweite wäre . Warum aber das Vertrauen darein tatsächlich im Schwinden begriffen ist , liegt in der Schuldeninflation , die ja auch außerhalb Griechenlands keineswegs gestoppt ist . "Die Märkte"(!) glauben nicht daran , dass der weitere Betrieb der Staats- und Wirtschaftsmaschinen unbegrenzt auf weitere Verschuldung , sprich : Gelddrucken , gestützt werden kann . Ein Grund also , der von einer "Personalie Schäuble" völlig unabhängig ist . (Wer wollte es zB auch Merkels und Schäubles Austeritätspolitik zurechnen , dass der Euro von 1,36 auf 1,10 E/$ runtergerutscht ist ...?).

     

    Ihrem penetranten Eindreschen auf Schäuble , Frau Herrmann , kann ich drum wenig abgewinnen .

    • @APOKALYPTIKER:

      Wer hat denn nun `Recht´ mit Analysen und Vermutungen in dieser EU/griechischen Finanztragødie?

      Das "Gute" an der TAZ, und insbesondere an Frau Herrmann.. und auch an den Beiträgen in diesem Forum (?!) ist doch, das die Analysen und Kommentare, wie verquer sie auch immer sind, `irgendwie schonungslos´(!) der Aufklärung und Ideen humaner Demokratie dienen!

      Der Herr Dr. Schäuble und die Strategien die er vertritt, sind historisch gewachsen/populär.. aber sind nicht mehr zeitgemäss und führen zu einem `Zerreissen´ der EU..

      Es ist m.E. primär in der BRD der Verdienst von der TAZ und von Frau Herrmann, gesunde Alternativen für die EU aufzuzeigen und die Debatte anzuheizen...

  • Ist Schäuble Deutschland? Hoffentlich nicht.

    Fachleute unterschiedlicher Denkweisen sehen schon lange das Gemurkse mit den griechischen Schulden. Wer eine Lösung will, statt dauernde Bevormundung und Ausbeutung, hätte die Schulden gestrichen und die Schuldenmacher entmachtet und vielleicht sogar vor Gericht gestellt.