Kommentar Hochwasser in Pakistan: Die Rangfolge der Empathie
Spenden- und Hilfsbereitschaft für die Opfer hat meist mehr mit Empathie zu tun als mit der Schwere einer Katastrophe – und Pakistan ruft negative Assoziationen hervor.
N ur selten erreicht nach Naturkatastophen die notwendige Hilfe die Betroffenen rechtzeitig und in ausreichender Menge. Nach den Überschwemmungen in Pakistan ist die Diskrepanz zwischen benötigter und bereitgestellter Hilfe allerdings größer als selten zuvor.
Mit über 13 Millionen ist die Zahl der Hilfsbedürftigen in Pakistan so groß wie noch nie seit Gründung der UNO vor 65 Jahren. Doch noch immer haben die humanitären Sonderorganisationen der UNO von ihren 192 Mitgliedsstaaten nicht die Mittel erhalten, um schnell und effektiv genug reagieren zu können. Ein ständiger Nothilfefonds von mindestens einer Milliarde US-Dollar, vor zwei Jahren von der Generalversammlung beschlossen, sollte diese schnelle Reaktion ermöglichen - unter anderem durch Vorsorgemaßnahmen wie der Einrichtung von Depots mit Nahrungsmitteln, Medikamenten und anderen überlebenswichtigen Gütern in oder an den Grenzen zu Regionen und Ländern, die besonders durch Naturkatastrophen bedroht sind.
Nach allen bisherigen Erfahrungen und Erkenntnissen der Wetter- und Erdbebenforschung gehört auch Pakistan zu diesen Ländern. Doch der UN-Nothilfefonds wurde von den Mitgliedsstaaten nie ausreichend gefüllt, weshalb die UNO jetzt um Spenden in Höhe von zunächst 360 Millionen Dollar betteln muß.
Andreas Zumach ist Korrespondent der taz in Genf.
Es ist zu befürchten, dass dieser Spendenappell wenig erfolgreicher sein wird als jene des Roten Kreuzes und der in Pakistan engagierten privaten Hilfsorganisationen. Denn kaum ein Land der Erde ruft - zumindest in den westlichen Staaten - ähnlich negative Assoziationen hervor wie Pakistan: Korruption, Taliban, Atomwaffen und dazu ein Präsident und eine Regierung, die bislang vor allem ein zynisches Desinteresse am Schicksal der eigenen Bevölkerung demonstriert haben. Anders als in vielen asiatischen Staaten, die vor vier Jahre von der Tsunami-Katastrophe betroffen waren, gibt es in Pakistan auch kaum westliche Touristen, die mit diesem Land vielleicht positivere Eindrücke verbinden könnten.
Dass Spenden- und Hilfsbereitschaft für die Opfer meist mehr mit Empathie zu tun als mit der Schwere einer Katastrophe, zeigt sich gegenwärtig ja auch in Europa. Im Vergleich zwischen den Überschwemmungen an Oder und Neiße und den Bränden in Russland, die derzeit täglich rund 350 Tote fordern, finden letztere auch ein deutlich geringeres Echo.
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