Kommentar Hauptschulen: Künstliche Beatmung
Seit Jahren wird darüber gestritten, ob die Hauptschule wirklich stirbt. Dabei ist sie längst tot.
I n Nordrhein-Westfalen finden sich Orte, in denen es noch ganze 4 Prozent Hauptschüler gibt. Diese Gemeinden werden ihre Schule verlieren. Jeder weiß das. Nur zwei wollen es nicht wahrhaben: Ministerpräsident Rüttgers und seine Schulministerin Sommer. Sie sind Ideologen - sie versuchen, eine Idee gegen die Wirklichkeit zu verteidigen.
Lange Zeit wurden die Befürworter der Gesamtschule von Rüttgers & Co. als Ideologen bezeichnet. Heute krallen ausgerechnet sie sich an einer Schulform fest, die aus dem 19. Jahrhundert stammt. In NRW, Bayern, Hessen, Niedersachsen und Baden-Württemberg tun die Regierungen so, als gäbe es eine natürliche Begabung, die zum Goldenen Handwerk führt. Das ist Quatsch. Kindern ist nicht an der Nasenspitze abzulesen, was sie können. Schulen sind dazu da, dieses zu fördern und zu entwickeln - und nicht, um 10-Jährige auszusortieren.
Diese Ideologie schadet der Zukunft aller Kinder. Anstatt die Hauptschule künstlich zu beatmen, müssten die Kultusminister die Lehrer auf den neuen Stoff vorbereiten. Wer eine heterogene Schülerschaft unterrichten will, der muss das erst lernen. Viele Lehrer praktizieren noch den Unterricht aus der Feuerzangenbowle: frontal, einer an alle, Wissen eintrichternd. Dieses gleichmacherische Lernen aber taugt nicht mehr. Moderne Schulen versuchen Potenziale und Kreativität des einzelnen Schülers zu entwickeln. Dafür gibt es längst Lehrformen wie Freiarbeit, große Projekte oder Lernbüros. Nur werden sie noch viel zu wenig kultiviert.
Christian Füller ist Bildungsredakteur der taz.
Seit Jahren wird darüber gestritten, ob die Hauptschule wirklich stirbt. Dabei ist sie längst tot. Das Problem ist: Das individuelle und selbständige Lernen ist noch nicht lebendig genug. Höchste Zeit, ihm alle Aufmerksamkeit zu schenken.
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