Kommentar Hartz-IV-Empfänger: Zu arm zum Sparen
Bezugnehmer von Hartz IV sollen Geld für größere Anschaffungen horten. Eine solche „Spardisziplin“ zu verlangen, ist zynisch.
W er wissen will, was lebensfremde Bürokratie ist, der braucht sich nur die Berechnung der Regelsätze im Hartz-IV-Bezug anzuschauen. Da sind jeden Monat ein paar Euro vorgesehen für Anschaffung und Reparatur von größeren Haushaltsgeräten, Computern, Handys. Doch dieses „Ansparmodell“ scheitert am Leben. Das haben jetzt wieder Urteile der Sozialgerichte deutlich gezeigt.
Das Sozialgericht Cottbus gestand einem Haushalt im Hartz-IV-Bezug zu, dass eine Schülerin einen Computer brauchte, weil ihr Gymnasium Hausaufgaben über das Internet verteilte und ganze Lehrgänge online anbot. Einen Computer zum Preis von 350 Euro kann man nicht mal so eben aus dem Regelsatz ansparen. Das gilt auch für die 100 Euro Teilnahmegebühr, die ein Abiturient benötigte, um an der Abifeier der Schule teilzunehmen.
Die Urteile zeigen erstens, welche Geldsummen und Anschaffungen man heute braucht, um nicht vom Bildungssystem ausgeschlossen zu werden. Und zweitens wird daran deutlich, wie lebensfremd es ist, von Hartz-IV-Empfängern zu erwarten, Geld „anzusparen“, um diesen Ausgaben gewachsen zu sein. Ausgerechnet von Leuten in Armut auch noch eine Spardisziplin zu verlangen, die auch andere niemals aufbringen könnten, ist zynisch. Viele Hartz-IV-Empfänger sind hoch im Dispo und zahlen monatlich hohe Zinsen von ihrem Regelsatz, ohne den Kredit damit jemals tilgen zu können.
Es ist eine Schande, dass eine Schülerin ihre Bildungsmittel einklagen muss. Die Vorschläge der Wohlfahrtsverbände und der Grünen, einige der „einmaligen Leistungen“ wieder einzuführen, etwa die Ausstattung mit einem Internetzugang, mit Brillen, Kühlschränken und Waschmaschinen, gehen daher in die richtige Richtung. Es wird interessant sein zu beobachten, ob Themen wie dieses im Wahlkampf überhaupt eine Rolle spielen werden. Oder ob man sie klammheimlich an die Sozialgerichte delegiert.
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