Kommentar Hans-Olaf Henkels Rückzug: Alternative ohne Alternative
Inzwischen wundert man sich, dass der Liberal-Konservative und frühere BDI-Präsident Hans-Olaf Henkel so lange als Bundesvize bei der AfD blieb.
M ancher wunderte sich vor eineinhalb Jahren, dass sich ein Mann wie Hans-Olaf Henkel ganz und gar der „Alternative für Deutschland“ verschrieb und als Spitzenkandidat zur Europawahl antrat. Ein Erzkapitalist und ein Sturkopf zwar, aber doch bei Verstand. Inzwischen wundert man sich, dass der Liberal-Konservative und frühere BDI-Präsident so lange als Bundesvize dabeiblieb. Bis zu den Konsequenzchen, die er zum Wochenende zog: Aufgabe des Parteivizevorsitzes. Nach aller Erfahrung kommt ein solcher Schritt einem Austritt auf Raten gleich.
Die Auseinandersetzungen zwischen dem Flügel einer stockbürgerlichen, aber gemäßigten AfD-CDU und einer Partei auf dem Weg zu nationalistischer Pegidisierung könnte man als die üblichen Startprobleme einer jungen Partei belächeln. So, wie es die Union mit dem neuen Konkurrenten lange tat.
Erst mal schauen, wie die sich sortieren und wie sich die Emporkömmlinge benehmen. Was Henkel als Insider über die „Karrieristen, Rechtsideologen, Spinner und Pleitiers“, konkret über das Triumvirat Petry, Gauland und Adam im Vorstand äußert, klingt tatsächlich nach Allzumenschlichem. Die angeblich Neuen, Unverbrauchten, Ritualfrustrierten bieten eben alles andere als eine Alternative zu den „Altparteien“.
Die Richtungskämpfe folgen aber auch aus dem diffusen Gründungsverständnis der AfD. Wenn man im Grunde nichts anderes will als bisherige rechte Parteien und Strömungen, muss man sich nicht wundern, dass Etikettierungs- und Abgrenzungsprobleme eintreten. Eine Partei, die gegen das angebliche Zerstörungswerk der Moderne und Toleranzdiktate wettert, vor dem „Zangengriff von ausufernder Sozialindustrie“ warnt und anachronistische nationale Alleingänge propagiert, saugt folgerichtig Potenzial von rechts außen an.
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