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Kommentar Gütesiegel für BordelleDie Fiktion vom kritischen Freier

Heide Oestreich
Kommentar von Heide Oestreich

Wie bei Sterne-Hotels soll man zukünftig an der Anzahl der Krönchen ablesen können, welche Standards ein Bordell einhält. Die Idee hat Tücken.

Bald mit Gütesiegel? Eine Prostituierte in einem Bordell in Frankfurt am Main Foto: dpa

T empel der Lust“, steht auf dem Gütesiegel für Bordelle, das am Donnerstag aus der Taufe gehoben wurde. Wie bei Sterne-Hotels soll man zukünftig an der Anzahl der Krönchen ablesen können, welche Standards ein Bordell einhält.

Die Idee ist gut. Es kann nur von Nutzen sein, wenn die Bordelle sich aus der Grauzone herausbewegen, in der sie sich trotz der Regulierungen durch das neue Prostitutionsschutzgesetz befinden. Der Staat mit seinen eher mangelhaften Kontrollmöglichkeiten ist schnell hintergangen, eine weitere Prüfinstanz deshalb durchaus sinnvoll. Bleiben einige offene Fragen.

Zum einen: Zunächst kontrolliert sich hier ein Verband selbst. Auch wenn der Bundesverband Sexuelle Dienstleistungen ein Interesse daran hat, dass unter seinem Siegel alles mit rechten Dingen zugeht, bleibt die Befürchtung, dass Gefälligkeiten unter Gleichen eine große Versuchung darstellen. Allerdings möchte der Verband in Zukunft ein externes Prüf­institut aufbauen. Und vielleicht sollte man die Vorurteile, „im Milieu“ seien eh alle halbkriminell, mal für eine Versuchsphase beiseitestellen.

Zum anderen aber, was ein solches Siegel erst sinnvoll macht: eine kritische Konsument*innen-Öffentlichkeit. Der Freier an sich bleibt anonym. Man kann ihn nicht unter Druck setzen, in ein gutes Bordell zu gehen statt in ein schlechtes. Wer in die einschlägigen Foren guckt, stellt fest, dass die Arbeitsbedingungen der Sexarbeiterinnen hier keine Rolle spielen. Wer nicht performt, wird schlecht bewertet. Ob die Performance mit den Arbeitsumständen der Prostituierten zu tun hat, interessiert nicht. Und wenn sich niemand für so ein Siegel interessiert, dann ist es wirkungslos.

Und zum Schluss wird man natürlich die Öffentlichkeit, die Prostitution an sich schon für einen Verstoß gegen die Menschenwürde hält, mit einem Siegel natürlich auch nicht erreichen. Der Imagegewinn dürfte sich also in Grenzen halten. Aber: einen Versuch ist es wert.

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Heide Oestreich
Inlandsredakteurin
Jahrgang 1968, ist seit langem Redakteurin für Geschlechterpolitik in der taz und im kulturradio vom RBB. Von ihr erschien unter anderem das Buch „Der Kopftuchstreit. Das Abendland und ein Quadratmeter Islam“. 2009 wurde sie mit dem Preis „Der lange Atem“ des Journalistenverbands Berlin Brandenburg für die Berichterstattung über Geschlechterstereotype ausgezeichnet.
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3 Kommentare

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  • "Bleiben einige offene Fragen.

    Zum einen: Zunächst kontrolliert sich hier ein Verband selbst."

    Das ist in vielen Branchen, z.B. Ökolandwirtschaft und Demeter -da kontrollieren sich auch Ökolandwirte gegenseitig.

  • In einer aktuellen Erhebung gaben acht Prozent der befragten Männer an, Sexualkontakte mit Prostituierten zu haben https://www.aerzteblatt.de/treffer?mode=s&wo=17&typ=16&aid=192871&s=Sexualit%E4t

    Falls die Angaben die Realität wider spiegeln, stellt sich die Frage, was dieses gute 12tel der Männer eigentlich bewegt, sich als Freier zu betätigen. Zumal Prostituierte, wenn sie denn überhaupt zu Wort kommen, häufig berichten, dass es sich bei vielen ihrer Freier um Familienväter handele. Das Argument mit der "sexuellen Notdurft" in Ermangelung einer Partnerin, bzw. bei männlichen Prostituierten eines Partners, zieht in den Fällen also nicht.

    Handelt es sich bei dieser Art Freier um Männer, die als Intimpartner so inakzeptabel sind, dass ihnen selbst ihre LebenspartnerInnen den Sexualverkehr verweigern? Falls ja, wäre es doch hilfreich für die Debatte um Prostitution zu ergründen, warum das so ist. Korrespondiert der Prozentrang von acht Prozent vielleicht mit anderen wissenschaftlich ermittelten Zahlen über die Sexualität von Männern?

  • Das haben Vorstöße so an sich, dass sie sich meist in irgendwelchen Grenzen halten.

     

    Ich finde es gut, dass die Branche offenbar an Selbstwertgefühl gewinnt. Ich meine: Wer von sich selber gar nichts hält, der wird auch keine (Mindest-)Standards anstreben. Nur der, der eine Selbstachtung verlieren kann, gibt sich (manchmal ein wenig) Mühe, sie zu behalten.

     

    Im Übrigen haben ist "der Kuinde" immer anonym und unerpresslich. Alle Gütesiegel haben das selbe Problem: Ob Teppichknüpfer, Kartoffelbauer, Jeans-Produzent oder Eiermann – wenn es keine vernünftige Kundschaft gibt, lohnt sich das Bemühen um ein positives Image nicht. Kunden, die keine Ansprüche an ihre Lieferanten haben, weil sie sich selber nicht für wertvoll genug halten, als dass sie Ansprüche anmelden dürften, werden keinen müden Cent ausgeben für Qualität. Die werden auch in Zukunft Masse wollen statt Klasse. Was einer zu brauchen meint, das wird er eben auch morgen noch kaufen wollen. It's psychologie, stupid.

     

    Und überhaupt: Jene scheinheiligen Moralapostel, die grundsätzlich Angst haben um ihr Alleinstellungsmerkmal (best human ever), werden nie wollen, dass sich jemand bessert. Die müssen immer Gründe (er-)finden, wieso-weshalb-warum nicht sein kann, was nicht sein darf. Die stimmt man niemals um. Schon gar nicht, in dem an auf die sogenannten kleinen Schritte verweist, die manchmal sicherer ans Ziel führen als die ganz großen Sprünge. Solche-welche kann man eigentlich nur standhaft ignorieren.