Kommentar Gütesiegel für Bordelle: Die Fiktion vom kritischen Freier
Wie bei Sterne-Hotels soll man zukünftig an der Anzahl der Krönchen ablesen können, welche Standards ein Bordell einhält. Die Idee hat Tücken.
T empel der Lust“, steht auf dem Gütesiegel für Bordelle, das am Donnerstag aus der Taufe gehoben wurde. Wie bei Sterne-Hotels soll man zukünftig an der Anzahl der Krönchen ablesen können, welche Standards ein Bordell einhält.
Die Idee ist gut. Es kann nur von Nutzen sein, wenn die Bordelle sich aus der Grauzone herausbewegen, in der sie sich trotz der Regulierungen durch das neue Prostitutionsschutzgesetz befinden. Der Staat mit seinen eher mangelhaften Kontrollmöglichkeiten ist schnell hintergangen, eine weitere Prüfinstanz deshalb durchaus sinnvoll. Bleiben einige offene Fragen.
Zum einen: Zunächst kontrolliert sich hier ein Verband selbst. Auch wenn der Bundesverband Sexuelle Dienstleistungen ein Interesse daran hat, dass unter seinem Siegel alles mit rechten Dingen zugeht, bleibt die Befürchtung, dass Gefälligkeiten unter Gleichen eine große Versuchung darstellen. Allerdings möchte der Verband in Zukunft ein externes Prüfinstitut aufbauen. Und vielleicht sollte man die Vorurteile, „im Milieu“ seien eh alle halbkriminell, mal für eine Versuchsphase beiseitestellen.
Zum anderen aber, was ein solches Siegel erst sinnvoll macht: eine kritische Konsument*innen-Öffentlichkeit. Der Freier an sich bleibt anonym. Man kann ihn nicht unter Druck setzen, in ein gutes Bordell zu gehen statt in ein schlechtes. Wer in die einschlägigen Foren guckt, stellt fest, dass die Arbeitsbedingungen der Sexarbeiterinnen hier keine Rolle spielen. Wer nicht performt, wird schlecht bewertet. Ob die Performance mit den Arbeitsumständen der Prostituierten zu tun hat, interessiert nicht. Und wenn sich niemand für so ein Siegel interessiert, dann ist es wirkungslos.
Und zum Schluss wird man natürlich die Öffentlichkeit, die Prostitution an sich schon für einen Verstoß gegen die Menschenwürde hält, mit einem Siegel natürlich auch nicht erreichen. Der Imagegewinn dürfte sich also in Grenzen halten. Aber: einen Versuch ist es wert.
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