Kommentar Große Koalition: Krisen, Kräche, Kompromisse

Das Bündnis aus Union und SPD ist eines des mühsamen Kompromisses und der ökologischen Halbherzigkeit - das, was man von einer Großen Koalition erwarten kann.

Die große Koalition, meinen manche Kommentatoren, ist paralysiert, der Vorrat an Gemeinsamkeiten aufgebraucht. Nur noch der Mangel an machtpolitischen Alternativen halte die Regierung zusammen, die in Agonie versunken sei. Da ist etwas dran. Schließlich überziehen sich SPD und Union fast routinemäßig mit schrillen Vorwürfen. Und es stimmt auch, dass die Fliehkräfte in der Koalition zunehmen. Sie wird von Union und SPD zunehmend als Zwangsgemeinschaft wahrgenommen.

Doch in diesem aktuellen Krisengerede gibt es auch viel Rhetorik. Der Koalitionsausschuss hat gezeigt, dass die große Koalition momentan doppelt existiert: Vorne an der Rampe führt sie dem entnervten Publikum das Stück Krise und Kräche vor, hinten im Arbeitszimmer geht es geschäftsmäßig wie immer zu. Man sucht Einigungen und den kleinsten gemeinsamen Nenner.

Beim Mindestlohn hat sich offenbar die SPD eher durchgesetzt. Ein gesetzlicher Mindestlohn ist mit der Union natürlich nicht machbar. Doch unterhalb dessen versteht es die SPD, unter der Federführung von Arbeitsminister Scholz der Union geschickt einen Kompromiss nach dem anderen abzuringen. Die zweite wichtige Weichenstellung ist die Umstellung der Kfz-Steuer auf den CO2-Ausstoß. Das ist klimapolitisch sinnvoll und überfällig. Die Einigung des Bundes mit den Ländern, die bislang die Kfz-Steuer kassieren, hat ziemlich geräuschlos geklappt.

Auf der Sollseite steht allerdings, dass Altautos ausgenommen sind. Ökologisch und sozial sinnvoll wäre zudem eine Progression der Kfz-Steuer gewesen: Wer ganz wenig CO2 in die Luft bläst, zahlt keine Steuern, wer ganz viel in die Luft bläst, umso mehr.

Und sonst? Etwa zehn Euro Kindergeld mehr, die Erbschaftsteuerreform soll im November kommen. Das alles ist kein wegweisendes Reformprojekt, sondern eine Politik der kleinen Schritte, des mühsamen Kompromisses und der ökologischen Halbherzigkeit. Es ist, mit und ohne Krisenrhetorik, die Politik, die man von der großen Koalition erwarten kann.

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Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

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