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Kommentar GroßbritannienBilliges Briten-Bashing

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Womöglich soll das Briten-Bashing nur davon ablenken, dass sich Deutschland und Frankreich doch nicht so einig sind und das Merkozy-Paket keine Zauberformel ist.

W arum regen sich gewisse populistische Kreise eigentlich so auf darüber, dass Großbritannien sein Veto gegen eine EU-Vertragsveränderung zur Schaffung einer Fiskalunion eingelegt hat? Vor dem EU-Gipfel letzte Woche hieß es regelmäßig, es sei nicht unbedingt erforderlich, dass alle 27 EU-Mitglieder an Bord sind: Notfalls machen das die 17 Euro-Mitglieder alleine.

Jetzt wird plötzlich der große Bruch heraufbeschworen, weil nicht alle 27 EU-Mitglieder dabei sind. Womöglich soll das Briten-Bashing ja nur davon ablenken, dass sich Deutschland und Frankreich doch nicht so einig sind wie sie tun und dass das Merkozy-Paket keine Zauberformel zur Eurorettung ist.

Großbritanniens Veto entspringt einem schlichten Kalkül. Der britische Premierminister David Cameron konnte gar nicht anders. Im britischen konservativ-liberalen Koalitionsvertrag steht, dass im Falle einer EU-Vertragsveränderung, die Kompetenzen von der nationalstaatlichen Ebene an die EU verlagert, eine Volksabstimmung in Großbritannien anzusetzen ist.

Bild: taz
DOMINIC JOHNSON

ist Co-Leiter des Auslandsressorts der taz.

Hätte Cameron in Brüssel Ja zur Vertragsveränderung gesagt, würde er also vor das britische Wahlvolk treten müssen mit der absurden Position, die EU-Integration gegen die mehrheitlich euroskeptische Meinung verteidigen zu müssen. Das würde ihm mit Sicherheit eine Niederlage bescheren und ihn womöglich dann auch den Job kosten.

Cameron hat die EU gespalten, um sich selbst, die Einheit seiner Regierung und seiner Partei zu retten. Was ist daran verwerflich? Nichts anderes würden auch Merkel oder Sarkozy tun. Merkozy darf Cameron eigentlich sogar dankbar sein. Was würde die Welt denn von einer EU halten, die Reformen ihrer Haushaltspolitik von einer Volksabstimmung in Großbritannien abhängig macht, obwohl dieses Land gar nicht beim Euro dabei ist?

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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16 Kommentare

 / 
  • I
    Ipgopher

    Gibt es bei Ihnen in Deutschland nicht den schoenen Spruch:

    Was juckt es die (Britische) Eiche wenn sich ein germano-gallisches Wildschwein dran kratzt?

     

    Mit bestem Churchillian Gruss aus GREAT BRITAIN

  • PM
    Peter Maas

    @Gabriele Rack

     

    "Sehe ich genauso aber beim "Ausländer"-Bashing sind wir Deutschen eben absolute Spitze."

     

    Nicht dass ich Ausländer-Bashing verteidigen möchte, aber genaugenommen ist es überall auf der Welt beliebter als Inländer-Bashing.

  • A
    antiantiantianti

    Und warum betreiben sie dann Bashing indem sie Leute als Populisten bezeichnen?

  • GR
    Gabriele Rack

    Sehe ich genauso aber beim "Ausländer"-Bashing sind wir Deutschen eben absolute Spitze. Man sehe oder lese nur die Kommentare über die faulen Griechen, über das ganze südländische "Gesocks" im Allgemeinen.

    Die Nationalitäten werden nach Bedarf beliebig ausgetauscht.

  • GR
    Gabriele Rack

    Sehe ich genauso aber beim "Ausländer"-Bashing sind wir Deutschen eben absolute Spitze. Man sehe oder lese nur die Kommentare über die faulen Griechen, über das ganze südländische "Gesocks" im Allgemeinen.

    Die Nationalitäten werden nach Bedarf beliebig ausgetauscht.

  • H
    HeHo

    Das Bashing dieser Zeitung wäre doch das Größte im deutschen Blätterwald, wenn sich Frau Merkel auf die britschen Bedingungen, Liberalisierung der Finanzindustrie, eingelassen hätte!

  • C
    chrisfre

    Sorry, wie es zu dieser 'korrupten' Version meines Leserbriefs gekommen ist,ist mir nichtnachvollziehbar.

     

    Es sollte einleitend heißen: Was schon ein Mal von Bush und Thatcher erreicht wurde, ...

  • C
    chrisfre

    ALLIANZ USA-GB

     

    Was schon ein Mal Bush und Thatcher erreicht erreicht wurde, scheint sich jetzt mit Obama und Cameron als britischer Weg der SPLENDID ISOLATION zu etablieren. In beiden Staaten sind die Staatschulden extrem, die staatlichen Sozialleistungen drastisch minimiert, das Gesundheitswesen ein Unwesen, Privatisierung von originär zum Wohl der Allgemeinheit geschaffener Strukturen und Institutionen das politische Credo. Zudem: Beide sind Weltfinanzplätze und glauben, allein mit PAPIERgeldfluten offenbar immer noch eine Option zu haben, nicht Marionetten der deregulierten Finanzmärkte und dito -oligarchie zu sein. Was auch immer an Merkels kurzatmiger Strategie nach schwäbischer Hausfrauenart zu kritisieren ist (nicht wenig!!!), so ist nun zumindest das kontraproduktive Vetorecht der Briten vorübergehend aus der Welt. Michael Sommer hat den Briten vorgeschlagen, 51. Staat der USA zu werden. Schon am Vorabend des Gipfeltreffens haben "die Märkte", befeuert von Obamas Prognosen, die Spekulationen gegen den Euro in Gang gesetzt nach dem Motto „The early bird catches the worm.“

  • JH
    Joe Hapa

    Es ist den Briten unbenommen, eine andere Position einzunehmen als die Mehrheit der Euro oder EU-Staaten. Das ist auch gar nicht das Problem.

     

    Das Problem ist, dass Sie dies schon seit Jahrzehnten in vielen Integrationsfragen tun und dabei in einem Maße für sich Sonderregelungen beanspruchen, wie kein anderes EU Land.

     

    Diesmal jedoch konnte der Kuhhandel nicht gelingen, denn sich ausgerechnet für jenen wildgewordenen Finanzsektor weiterhin Narrenfreiheit auszubedingen, der uns nun schon seit Jahren die lange Nase zeigt und zwingend einer tiefgreifenden Strukturreform zu unterziehen ist, ist schlicht inakzeptabel.

     

    Also: Es hat nichts mit billigem Briten-Bashing oder anti-britischen Ressentiments zu tun, sondern es ist eine Frage des verantwortlichen und lösungsorientierten Zusammenlebens auf diesem Kontinent, wenn ich fordere: Grossbritannien raus aus der EU! Gehen Sie den bilateralen Weg wie die Schweiz oder Norwegen. Das wäre konsequent und respektabel.

  • I
    iquique

    David Cameron hier in Schutz zu nehmen ist etwas fraglich.

     

    Der Koalitionsvertrag mit den Liberal-Democrats ist ja nicht einfach vom Himmel gefallen. Es war genau der David Cameron, der es fuer notwendig gehalten hat eine eindeutige Feststellung zu machen, dass jede Kompetenzuebertragung zur EU abzulehnen sei, daher das Versprechen es wird eine Volksabstimmung geben, die selbstverstaendlich nicht gewonnen werden kann.

     

    Jetzt zu sagen David Cameron kann nicht anders ist eine Verdrehung der zeitlichen Abfolge, die gerade die britischen Konservativen jetzt in eine nicht loebare Situation gebracht haben.

    Dass solche Situationen geschickter gehandhabt werden koennen, zeigt die Strategie des vielgescholtenen Tony Blair. Er hat sich nie so weit aus dem Fenster gelehnt und hatte daher alle taktischen Optionen offen, bei einer ebenso europafeindlichen britischen Oeffentlichkeit zu seiner Amtszeit.

     

    Es ist auch in Brossbritannien nicht einfach moeglich mit populistischen anti-europaeischen Positionen quasi automatisch zu punkten, vielleicht wird David Cameron hieraus lernen, wenn er dass naechste mal vom Leder zieht.

  • R
    Regierungs4tel

    Der Merkozy-Plan wird jedenfalls wie in Brüssel verabschiedet so nicht aufgehen:http://berlin2011.wordpress.com/2011/12/11/merkozys-europa/

  • A
    Andre

    Ich muss dem Kommentator zustimmen, allerdings meine ich, dass vielleicht von Sarkozy und Merkel sogar dieses 'Nein' aus London einkalkuliert wurde und die ganze Sache eine Art Show ist, um von den eigentlichen Euro-Krise ein wenig abzulenken. Vielleicht ist es sogar ein idiotischer Versuch die britische Politik aus Brüssel ganz auszuschließen, um die von Deutschland und Frankreich hervorgerufenen Probleme besser beheben zu können.

     

    Ich persönlich glaube aber gar nicht, dass Merkel und Sarkozy wirklich an Lösungen arbeiten. Letztlich arbeiten sie sich an Dingen ab, die allesamt wirkungslos sind und bleiben werden. Was sie nicht wollen, ist, dass die Öffentlichkeit ihre zunehmende Hilflosigkeit erkennt.

     

    Der EURO lässt sich nicht mit Austerität erhalten!

     

    Er lässt sich auch nicht durch eine Europa-Euphorie halten oder stabilisieren. Das waren alles nur Versuche und Statements ohne klaren Kern.

     

    Der EURO lässt sich wahrscheinlich nur als harte Währung mit harten Ländern erhalten. Und diese Lösung kostet Deutschland eine ganze Menge an Exporten und zwingt wahrscheinlich zu einer ganz anderen Wirtschaftspolitik. Möglicherweise müsste man die wirtschaftspolitischen Aufbau in Deutschland mit einer extrem harten EURO-Währung komplett neu ausrichten (z.B. Binnennachfrage stärken).

     

    Und für solche Lösungen ist weder die CDU/CSU, noch die FDP. Leider können sich aber auch die SPD und auch die Grünen eine solche Konstellation nicht vorstellen. Gerade Rot-Grün ist von 1998 bis 2005 auf altbekannten und meistens wirkungslosen wirtschaftspolitischen Trampelpfaden unterwegs gewesen. Inzwischen ist ein großer Teil alternativ denkender Menschen gar nicht mehr in der SPD, bei den Grünen sind solche Kräfte durch junge Pragmatiker ohne Mut ersetzt worden bzw. zurück gedrängt worden.

     

    Insofern: Schön, dass man mit dem Briten Cameron einen Buhmann hat. Nur: Es wird nichts bringen. Gerade in dieser Krise müssten Frankreich und Deutschland sich anders mit dem Vereinigten Königreich abstimmen. Schon der Ernst der Situation gebietet es. Das immerhin könnten Grüne und SPD mal besser probieren, bzw. vorbereiten, denn die Stunde der Opposition könnte in Berlin schneller enstehen, als viele momentan glauben.

  • D
    drubi

    Ob und was der Kompromiss, den Merkel und Sarkozy unterstützt haben, etwas bringt ist durchaus fraglich. Hätte Cameron vernünftige Gründe vorgebracht und eine akzeptable Alternative vorgeschlagen, hätten nur wenige Grund, ihn zu kritisieren.

    Die Enthüllungen um den Bankrott der Finanzfirma MF Global, die mit Hilfe gesetzlicher Schlupflöcher, die es in den USA nur in begrenztem Umfang gab, Milliarden versenkte, zeigen aber, dass GB gezielt unseriöse Praktiken zulässt, um seine Position als führendem Finanzplatz zu verteidigen. Und alleine darum ging es Herrn Cameron und den Tories. Großbritannien bewegt sich auf eine ähnliche politische Polarisierung zu wie sie in den USA bereits politische und finanzwirtschaftliche Reformen be- bzw. verhindern.

    Ebendies ist ja gerade das Verhalten, mit dem sich die Regierungen gegenseitig dabei blockieren, die Finanzwirtschaft wieder mehr unter Kontrolle zu bekommen. Siehe das Interview, das Jeffrey Sachs, Ökonom von der Columbia University, N.Y., in Al Jazeera ("That's not a free market, that's a game") gab. Das Briten-Bashing mag z.T. ungerecht und geschmacklos sein, gerechtfertigt ist es leider schon.

  • E
    EnzoAduro

    PPPS: Es geht bei der Häme auch nicht um Cameron persönlich. Sondern um die Britische Gesellschaft als Ganzes. Mit allen Politikern, den Medien und dem Volk. Niemand hat wirklich was gegen David persönlich. Aber am Ende des Tages, bzw der 38-jährigen EU Mitgliedschaft*, ist es egal warum Großbritannien die EU blockiert. Sie blockieren.

     

    *De facto eine Teilmitgliedschaft.

  • E
    EnzoAduro

    Weil Großbritannien nur in die EU eingetreten ist um es von innen zu bremsen zerstören. Daher freuen wir (Proeuropäer) uns das Sie gescheitert sind. Und auf die Perspektive das Sie rausfliegen.

     

    Die können dann ja ihre Gegen-EU, die EFTA wieder beleben.

     

    Der Charles de Gaulle wusste schon warum er die Briten draußen haben wollte.

     

    PS: Natürlich wäre es besser die Briten würden sich am "Projekt Europa" beteiligen. Nur das wäre ein Minimal-Europa. Und das ist quatsch. Wir brauchen keine EFTA, wir brauchen mehr. Und das geht nicht mit einem Land und einem Volk das andauernd "EUDSSR" Schreit wenn es um unseren -sicher nicht Perfekten- Staatenverbund geht. Aber von Ländern mit einem Mehrheitswahlsystem lasse ich mir schon sehr ungern etwas zu einem Demokratiedefizit sagen. Nebenbei ist es gerade Großbritannien die eine "Verbesserung" der EU laufend verhindern, um genau sich dann später drüber zu beklagen. Die wollen eben keine EU. Die wollen eine EFTA. Aber vor allem wollen die auch nicht das WIR eine EU machen. Und da hört der Spaß auf!

     

    PPS: Großbritannien gehört -leider- eben nicht wirklich zu Europa. Ebenso wie Russland, die Ukraine und ausdrücklich auch die Türkei.

     

    Ich bin dafür diesen Ländern die "previligierte Partnerschaft" anzubieten.

  • EB
    empörter Bürger

    Großbritannien ist in Europa der letzte Leuchtturm der Demokratie. Was die anderen Staaten momentan machen ist eine Diktatur. Die Bevölkerung hat die Schnauze voll von notleidenden Banken und Staaten. Wir müssen endlich raus aus dem Euro.