Kommentar Griechische Neonazis: Strafrecht, keine Gesinnungsjustiz

In Athen sitzen die Führer der „Goldene Morgenröte“ im Knast. In Deutschland wünschen sich viele ein NPD-Verbot, doch so einfach ist das nicht.

„Morgenröte“-Gründer Nikos Michaloliakos am Samstag in Athen. Bild: ap

Neonazis in Handschellen: Nicht nur die meisten Griechen sind erleichtert, dass die Staatsgewalt endlich gegen die rechtsradikale Schlägertruppe vorgeht. Die Liste der Vorwürfe ist lang und reicht von Totschlag über Körperverletzung, Erpressung, Sprengstoffanschläge bis hin zur Geldwäsche. Die „Goldene Morgenröte“ predigt den vermeintlichen Schutz des Griechentums und arbeitet mit Gewalt, Volksverhetzung und Antisemitismus.

Neonazis in Handschellen: So mancher mag sich ein ähnliches Bild auch für Deutschland wünschen, wo etwa NPD-Funktionäre mit ganz ähnlichen Stereotypen agieren. Doch so einfach ist das nicht.

Ein Rechtsstaat kann nur gegen konkrete Straftaten vorgehen, die von konkreten Personen begangen wurden. Solange die NPD eine erlaubte Partei ist, bleibt nur der mühsame Weg des Nachweises von Straftaten, und das ist auch richtig so. Auch in Athen geht es ums Strafrecht und eben nicht um Gesinnungsjustiz.

Wenn der Staat wirklich konsequent gegen die Verfassungsfeinde der NPD vorgehen wollte, dann könnte er den Versuch wagen, diese Partei zu verbieten. Bisher verhält sich die Union in dieser Frage mehr als zurückhaltend. Doch was spräche dagegen, wenn CDU/CSU und SPD in einer Koalitionsvereinbarung Nägel mit Köpfen machen würden? Schließlich fordern die Sozialdemokraten schon lange ein NPD-Verbot.

Bei allen Vergleichen zwischen griechischen und deutschen rechtsextremen Parteien aber bleibt eines festzustellen: In Griechenland haben Polizeibeamte mit der Neonazipartei paktiert, haben weggeschaut, wenn deren Mitglieder schwerste Straftaten gegen Migranten verübten, und im schlimmsten Fall sogar mitgemacht. Die Justiz übte sich viel zu lange in Lethargie. Konservative Politiker empfahlen, das Gespräch mit den Neonazis zu suchen, und manche Athener Medien haben ihnen bereitwillig eine Bühne gegeben.

Die griechischen Nazis kamen in Umfragen landesweit auf über 10 Prozent der Stimmen. In Deutschland sind die Rechtsextremen dagegen gesellschaftlich isoliert. Sie haben – anders als im verarmten, von Krisen geschüttelten Griechenland – keine Chance, an die Regierung zu kommen. Das darf kein Grund zur Beruhigung und zur Nachlässigkeit im Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus in Deutschland sein. Aber es macht deutlich, wie überfällig der Schlag der Justiz in Athen gewesen ist.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jahrgang 1957, ist Mitarbeiter der taz und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Zeitgeschichte und der Nahe Osten. Hillenbrand ist Autor mehrerer Bücher zur NS-Geschichte und Judenverfolgung. Zuletzt erschien von ihm: "Die geschützte Insel. Das jüdische Auerbach'sche Waisenhaus in Berlin", Hentrich & Hentrich 2024

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.