Kommentar Griechenlands Präsident: Aus dem Zylinder gezaubert
Der Verwaltungsjurist Pavlopoulos wird Präsident: Mit einer überraschenden Personalie stellt Tsipras den linken Flügel seiner Partei Syriza zufrieden.
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W ieder einmal überrascht Alexis Tsipras. Nachdem er eine Blitz-Koalition mit den Rechtspopulisten eingegangen ist, lässt der Linkspremier einen konservativen Innenpolitiker zum neuen Staatspräsidenten wählen.
Dass Tsipras auf die Konservativen zugeht, ist an sich keine Überraschung, gibt es doch seit 1995 die ungeschriebene griechische Tradition, dass die jeweilige Regierungspartei einen Oppositionspolitiker als Kandidaten für das hohe, aber kompetenzarme Amt nominiert.
Doch eigentlich galt jemand anders als Favorit: Dimitris Avramopoulos, EU-Kommissar, ehemaliger Außenminister und nicht zuletzt Vizepräsident der Mitte-Rechts-Opposition. Dass Tsipras im letzten Moment umschwenkte, zeugt von einer ausgeprägten taktischen Intelligenz, die allerdings nicht ohne Kollateralschäden vonstatten geht und eigene Parteiinteressen gelegentlich höher einstuft als langfristige Ziele.
Um sein gespanntes Verhältnis zum mächtigen Linksflügel der Partei nicht anzuheizen, verzichtete Tsipras nämlich auf einen der wenigen wohlgesinnten Verbündeten im konservativen Lager und auf die einmalige Chance, seinen eigenen EU-Kommissar nach Brüssel zu schicken.
Dafür kommt nun der Verwaltungsjurist Pavlopoulos ins Spiel. In der Vergangenheit verzichtete er auf Tiraden gegen die Linkspartei und kritisierte zudem die verhasste „Troika“. Damit kann er die Konservativen zufriedenzustellen, ohne die Linken übermäßig zu ärgern.
Da allerdings seine Ministerzeit von 2004 bis 2009 mit über 850.000 (meistens befristeten) Neueinstellungen im öffentlichen Dienst einherging, darf wohl bezweifelt werden, ob der Ex-Innenminister für den viel beschworenen Neuanfang in Staat und Gesellschaft steht. Geschweige denn für den Kampf gegen politischen Klientelismus.
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