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Kommentar GriechenlandBillige Lösungen gibt es nicht

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Das Spardiktat treibt Griechenland nur weiter in die Krise. Eine kostengünstige Rettung wird es deshalb nicht geben. Ein Konjunkturprogramm könnte helfen.

G riechenland ist erneut bankrott: Es ist offensichtlich, dass es seine Kredite nicht vollständig bedienen kann – obwohl die privaten Banken im Februar auf 107 Milliarden Euro verzichtet haben. Nun wird nach einem Schuldigen für dieses Debakel gesucht.

Wachsen die Kreditberge erneut, weil die griechische Regierung nicht weiter sparen will? Liegt es an der tiefen Rezession in Griechenland, die die Steuereinnahmen wegbrechen lässt? Oder war der Schuldenschnitt einfach zu klein?

Leider sind alle drei Erklärungen richtig, was eine politische Lösung so schwer macht. Um ein extremes Gedankenexperiment anzustellen: Angenommen, den Griechen würden alle Kredite komplett erlassen, womit auch alle Zinszahlungen entfielen – die Griechen würden trotzdem neue Schulden aufhäufen. Denn der Staat kann sich nicht komplett selbst finanzieren, dafür reichen die Steuereinnahmen nicht. Dennoch nutzt es nichts, dass Europa weitere Sparprogramme verlangt. Sie würden nur die Rezession verschärfen – und die Steuereinnahmen erneut einbrechen.

Bild: taz
Ulrike Herrmann

ist wirtschaftspolitische Korrespondentin der taz.

Für Griechenland hat sich längst die Metapher „Fass ohne Boden“ eingebürgert – woran zumindest richtig ist, dass ein Boden bisher nicht in Sicht ist. Eine billige Lösung wird es also nicht geben, stattdessen ist nur die Frage, welcher der teuren Rettungsansätze der billigste ist.

Die Geschichte zeigt: Es ist noch nie gelungen, ein Land zu sanieren, das in einer Rezession steckt. Man muss ins Wachstum investieren. Zwar würde dies neue Kredite bedeuten, aber ein drakonischer Sparkurs führt ja ebenfalls zu neuen Schulden. Zynisch gesprochen handelt es sich um eine Win-win-Situation: Es wäre gar kein Wagnis, ein Konjunkturprogramm aufzulegen – sondern die letzte Chance.

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Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
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9 Kommentare

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  • JM
    Jens Müller

    Griechenland braucht beides Reformen und ein Konjunkturprogramm.

    Und es war ein Schuldenschnitt von 50 Prozent nominal und real 70 Prozent,da die neuen Anleihen geringer verzinst sind.

    Wie auch immer,es ist immer besser Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren.Wenn wir eins im Aufbau Ost gelernt haben,dann das.Denn von denn 1,6 Billionen flossen nur 300 Mrd in die Infrastruktur,der Rest waren Sozialtransfers.Bei Griechenland kommt hnzu das das jetzige Geld fast nur in die Schuldentilgung fließt .

  • AP
    Antikapitalistische Perspektive

    Griechenland könnte sich autark mit Energie versorgen, wenn es Windkrafträder aus Fachwerk bauen würde, dafür gibt es für den Anfang genug arbeitslose Bootsbauer und Zimmerleute und man könnte auf die kranke Ausbeutung nach Öl- und Gas und das geplante Zukacken mit Stahlbetontürmen verzichten.

    Dadurch könnte man auch versteppte Gebiete begrünen und die Textilindustrie wieder anschmeissen und die Landwirtschaft unabhängig von teuren Importen machen. Zudem entwickelt sich derzeit eine kleine Fahrradindustrie, die weiter ausgebaut werden muß; selbst Automobilindustrien hat es mal gegeben und Militärfahrzeuge werden noch heute produziert.

    Außerdem gibt es inzwischen Schiffe, die komplett durch Windturbinen angetrieben werden und da es viel Wind gibt, könnte man überschüssige Energie im Hafen ins Netz einspeisen; die komplette Flotte könnte man umrüsten und auf andere Fahrzeuge ausweiten und mit Pedal- und Solarantrieben kombinieren.

    All das muß unabhängig vom "Markt" passieren - Wettbewerb, wenn überhaupt - nur national, keinen Export-Import-Dogma-Bullshit.

    Es gibt sogar EU-Gelder dafür - für 13 MRD haben die griechischen Regierungen es nicht geschafft die Papiere fertig zu machen und bis Ende 2013 muß das passieren. Nur dürfte die EU dabei wohl kaum mit spielen, wenn man die Wirtschaft antikapitalistisch umgestaltet.

  • N
    Nalikes

    Immer wieder das Märchen vom "Schuldenschnitt", umgeschnitten wurde lediglich die Laufzeit, nämlich gestreckt, "Verlust" gab es lediglich bei Zinsen und nicht bei Schuld. Die einzigen, die dabei wirkliche Verluste machten, waren kleine Privatanleger und vor allem die griechischen Pensions- und Rentenkassen, die jetzt vor dem Kollaps stehen.

  • W
    Wannendlich

    Wann endlich wird in solchen Artikeln auch mal die Möglichkeit erwähnt, dass man mal die Reichen dieses Landes heranzieht! Warum soll im Endeffekt der deutsche Steuerzahler dafür zählen, dass griechische Reeder kaum Steuern zählen?

    Wenn man im Falle Griechenlands die Reichsten mit einer 10%igen Abgabe belegen würde und ernsthaft mal all die Milliarden anzapfen würde, die von Griechen ins Ausland verschoben wurden, z.B. In die Schweiz oder nach Großbritannien, wären die 11 oder 14 Milliarden kein Problem.

    Natürlich werden das die griechischen Poltiker niemals selbst machen. Das müsste die EU schon selbst in die Hand nehmen. Aber das würde in jedem Fall der griechischen Wirtschaft besser bekommen als das derzeitige Kaputtsparen.

    und ich könnte mir vorstellen, dass dann die Eliten in Griechenland sehr schnell dafür sorgen werden, dass auch andere in Griechenland Ihre Steuern zahlen und vielleicht sogar der Militärhaushalt mal zusammengestrichen wird und auch ansonsten vernünftiger gewirtschaftet wird, wenn die Reichen wissen, dass es ansonsten schnell an ihr Geld geht. Natürlich dürfte man das nicht am derzeitigen Wohnort festmachen, sondern daran wie lange jemand wo wirtschaftlich tätig war und müsste die Eu europaweiten Zugriff auf das Vermögen dieser Personen ausüben. Da würde die EU mal wirklich Sinn machen.

    Und die Reichen Italiens und Spaniens würden wahrscheinlich darauf hinwirken, dass ihre Länder auch möglichst ohne Rettungsmilliarden auskommen, wenn es sonst an ihr Geld geht.

  • H
    Hans

    Hat Ulrike Herrmann identische Artikel nicht mehr mindestens 100 mal verfasst? Was soll das, immer denselben Gulasch zu wiederholen?

  • N
    naseweiser

    ... noch eine richtige "Frage" , Frau Herrmann :

    Glauben Sie selber , was Sie da vorschlagen ?

    Oder ganz richtige Frage :

    Glauben Sie tatsächlich , dass es eine "Lösung" gibt für Euro-Verschuldistan ?

  • G
    Gallier

    Anscheinend schlägt die Autorin vor, in Griechenland ein Konjunktur-Strohfeuer zu entfachen. Das wäre naiv. Das würde ohnehin nicht auf fruchtbarem Boden fallen, nicht jetzt.

    Das Land braucht die Rückkehr zur Drachme und weitere Restrukturierungshilfen, wenn es die annehmen will - kein Geld. Entweder greifen dann die Restrukturierungen (es würde lange dauern), oder Griechenland wird wieder zu das, was es in den 60iger Jahren war. Um Merkels Lieblingswort heranzuziehen: Das ist ohne Alternative.

  • SR
    Sehr richtig, Frau Herrmann!

    "Griechenland ist erneut bankrott"

    So ist es, wenn man nicht sogar sagen will: immer noch.

     

    Im Juristischen heißt Bankrott: betrügerisch herbeigeführte Insolvenz.

     

    Ein Bankrott ist nämlich juristisch immer betrügerisch.

     

    Das andere, versehentliche und plötzliche, ohne Abziehen von Kapital auf dunklen Kanälen, das ist die Insolvenz.

     

    Insofern: genau den Nagel auf den Kopf getroffen, Frau Herrmann, nur:

    Wann werden die Verantwortlichen für den widerholten Bankrott endlich rechtlich belangt und entmachtet?

     

    Das Geld wird verwendet, um Griechenlands Schulden bei den Banken zu zahlen. Es landet immer bei den Banken, die mit immer unverschämteren Zinsforderungen Gewinne abgreifen, neue Kredite vergeben, die platzen müssen und sich dann wieder aus Staatsgeldern die vermeintlichen Verluste ersetzen lassen, weil sie ja so wichtig sind für den Betrieb des Systems.

    Die Staatsgelder kommen wieder über Kredite bei Banken, die mit immer unverschämteren Zinsforderungen..... usw, bis alles den Banken gehört. Geht auf diesem Weg nicht anders.

    Das ist Systemimmanent.

    Wenns nicht so traurig wär, daß die meisten es noch nicht kapiert haben, wärs lustig.

  • A
    Andena

    Ein Konjunkturprogramm hilft gegenwärtig Griechenland gar nichts und würde nur ergebnislos verpuffen. Bevor überhaupt an sowas wie eine Aufbauhilfe gedacht werden kann, muss dringenst die Wettbewerbsfähigkeit der griechischen Wirtschaft wiederhergestellt werden. Und das bedeutet, dass die Produktionskosten auf das Niveau der Produktivität gesenkt werden müssen. Und das geht am besten und völlig ohne teure sinnlose Subventionen mit einer Währungsabwertung.

     

    Danach kann man gerne ein umfassendes Aufbauprogramm starten, das die griechische Wirtschaft wieder in Gang bringt.