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Kommentar Griechenland-HilfeDas Drama geht jetzt erst richtig los

Eric Bonse
Kommentar von Eric Bonse

Anders als die Politiker nach dem letzten Euro-Gipfel suggerieren, ist kurzfristig nichts gelöst. Die Krise könnte sogar erneut eskalieren.

Zukunft offen: Ein Mann in Athen. Foto: dpa

W enigstens ist jetzt der Grexit vom Tisch. Das dachten viele, als der griechische Premier Alexis Tsipras am Montag die weiße Fahne hisste und den harten deutschen Deal akzeptierte. Zwar würde Tsipras am Mittwochabend noch ein paar verhasste Reformen durch das Parlament peitschen müssen, doch danach würde das Schuldendrama endlich beendet sein.

Die Wahrheit sieht anders aus: Das Drama fängt jetzt erst richtig an. Denn dieselben Politiker, die Tsipras beim Euro-Gipfel zur Kapitulation gezwungen haben, weigern sich jetzt, schnell Geld zur Rettung der griechischen Banken und zur Auslösung fälliger Schulden bereitzustellen. Darum müsse sich Athen selbst kümmern, so die verächtliche Antwort von Finanzminister Wolfgang Schäuble.

Kurzfristig ist also gar nichts gelöst. Die Krise könnte sogar bis Montag erneut eskalieren. Dann muss Griechenland 3,5 Milliarden Euro an die Europäische Zentralbank zurückzahlen. Wenn es das nicht kann, droht schon wieder der Grexit. Schäuble macht keinen Hehl daraus, dass er dies immer noch für die beste Lösung hält. Offenbar arbeitet er auch gezielt darauf hin.

Aber auch langfristig sieht es nicht gut aus für Hellas. Denn mit dem deutschen Deal passiert genau das, was die Regierung in Athen unbedingt vermeiden wollte: Ihr werden neue Schulden aufgebürdet. Die frischen Kredite dienen zwar vor allem dazu, alte Schulden abzulösen; im Land selbst kommt wenig an. Doch sie machen die Schuldenlast, die schon jetzt erdrückend ist, endgültig untragbar.

Das sagt nicht etwa Exfinanzminister Jannis Varoufakis, das sagt der Internationale Währungsfonds (IWF). Also genau jene Institution, die Schäuble und Bundeskanzlerin Angela Merkel um jeden Preis im neuen Programm dabei haben möchten. Die Schuldenquote werde bald auf unglaubliche 200 Prozent der Wirtschaftsleistung ansteigen, warnen die IWF-Experten.

Die versprochene „Rettung“ entpuppt sich so als neue Bürde. Der deutsche Deal trägt nicht zur Entschuldung, sondern zur weiteren Verschuldung bei. Gleichzeitig sträubt sich Berlin gegen die Forderung des IWF, nun endlich einen harten Schuldenschnitt zu wagen. Merkel und Schäuble tun alles, um Tsipras zu belasten – und nichts, um ihn zu entlasten. Kann man solchen Politikern noch vertrauen?

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Eric Bonse
EU-Korrespondent
Europäer aus dem Rheinland, EU-Experte wider Willen (es ist kompliziert...). Hat in Hamburg Politikwissenschaft studiert, ging danach als freier Journalist nach Paris und Brüssel. Eric Bonse betreibt den Blog „Lost in EUrope“ (lostineu.eu). Die besten Beiträge erscheinen auch auf seinem taz-Blog
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18 Kommentare

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  • Ob Griechenland oder bei uns, es ist doch überall das gleiche. Von den Volksvertretern werden die Wähler*innen im Stich gelassen und für dumm verkauft. Die Interessen der Lobbyisten bedient. Die Medien kommen ihrer Aufgabe einer objektiven und unparteiischen Berichterstattung nicht nach und dann wundern sich alle dass politische Lager, die niemand irgendwo an der Macht sehen will, einen Zulauf kriegen. Im übrigen ist es nur eine Frage der Zeit bis es bei uns soweit ist.

  • "Kann man solchen Politikern noch vertrauen?"

    Man konnte ihnen NIE vertrauen, diesen neoliberalen Vollstreckungsbeamten.

    Und ein solcher Satz in der TAZ?!

  • Herr Schäuble, wird wohl recht behalten mit seiner skeptischen Einschätzung zu Griechenland – er hat schließlich alles unternommen, dass es so kommen wird: Er hat das alte Austeritätsprogramm durchgesetzt, das bekanntlich Krisen nur verschärft (wer's nicht vorher wusste, hat das in den vergangenen 5 Jahren beobachten können), er hat diesmal die griechische Regierung zusätzlich noch verpflichtet, alles zu verscherbeln (Häfen, Flughäfen, Energieunternehmen...), was längerfristig dem Staat noch Einnahmen bringen könnte und er hat nun von außen derartig harte Maßnahmen durchgesetzt, dass niemand in Griechenland das von Herzen unterstützen wird – guter Wille und Ansätze von Selbstkritik, die bei den Griechen zuvor zu hören waren und die eine Chance bedeutet hätten, sind damit verflogen. Es handelt sich also um eine vergiftete(!) „Hilfe“ für Griechenland, die deshalb – wer wüsste das genauer als Schäuble – mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder scheitern wird.

    Darüber, warum er das gemacht haben, kann man nun spekulieren:

    War er durch die - zugegeben heftige – Kritik von Varoufakis so gekränkt, dass er sich rächen wollten?

    Ging es darum, dass er als alter Mann den jungen Newcomern der griechischen Politik genau das beweisen wollte: „Ich habe recht“?

    Ist ihm die Zustimmung deutscher Stammtische wichtiger als das Ansehen Deutschlands im Ausland?

    Ist ihm die Zustimmung deutscher Stammtische wichtiger als asein Renommee unter Fachleuten?

    Wolle er eine Partei, die fraglos nicht seine politische Linie vertritt, die aber demokratisch gewählt wurde, zu Fall bringen?

    Ich weiß es am Ende nicht, kann aber nicht feststellen, dass sein Handeln von einem zielführenden Lösungswillen der griechischen Schuldenkrise getragen war. Fatal ist das auch für die von Schäuble immer ins Feld geführten deutschen Steuerzahler, die für seine Rechthaberei zahlen, ohne dass das den Griechen was nützt

  • Mögen die getroffenen Vereinbarungen (Euro-Gipfel am Montag Morgen) noch so belastend sein, und sind sie auch noch so teuer für den EU-Steurzahler und für Griechenland, die Alternative, der (zeitweise) Grexit eint fatalerweise, wie Bonse darstellt, die Gegner dieser Vereinbarung. Verständlich der Zorn und der Anspruch der Neinsager in der Syriza-Fraktion. Aber sie spielen damit Merkel und Schäuble in die Hände. In Merkels Statement zum Ergebis der Verhandlungen, gefragt nach der griechischen Handschrift darin, fiel ihr nur ein "der doch deutlich erhöhte Finanzbedarf". Bis Heute, 16.7. versucht Schäuble den Grexit bei den Finanzministern durchzusetzen. Gelingt ihm nicht, wie ich in den Nachrichten höre, und das ist auch gut so. Oder wer will die billige Lösung für Deutschland und den Rest der EU? Und für Europa Selbst? Alle Länder, in denen ein politisches Potenzial gegen die Austeritätspolitik und die neoliberarale Ideologie vorhanden ist, würden eher gelähmt beim Anblick eines sich windenden Griechenlands nach dem Rausschmiß.

  • Also dann doch noch : Ende mit Schrecken !

    Griechische Realtragödie ... und für die anderen ist auch noch nichts vorbei .

    • @APOKALYPTIKER:

      Grins... ! Sage lieber: Hartes ENDE jedoch mit Neuer Hoffnung, zumindest für Griechenland ! Die EU Schäubles, sieht man es als ne´ "Bronzeglocke" oder ne dicke Porzellanvase.. hat gefährliche Sprünge bekommen- und droht zu zerbersten- der US Dollar freut sich, Rubel und Yuan lächeln verhalten...

      • @vergessene Liebe:

        ..mir will nicht in die Birne... wieso das griechische zivile Leben von Alten und Jungen, von Rentnern und kranken, von Jungens und Mädels die nach Bildung und Ausbildung, nach Arbeit lechzen (oder nach relativem, begrenzten Wohlstand..) ...

        .. aufgrund von Fehlern und Habgier einiger Magnaten und Banken ..

        ..in soziale Notlagen, durch einfache Armut, getrieben werden sollen!

        -------

        Diese ganze zZt Debatte um griechisch/nationale Økonomieproblematik, `Mangel´ an Wettbewerbsfähigkeit im EU Rahmen etc. ist m.E. zu sehr Börsen und Aktionären fixiert.. der allgemeine Lebensbedarf der Zivilbevølkerung - als historisches Hauptaxiom der Økonomie, ist sekundarisiert..

        Es erscheint mir, als ob die "Wissenschaften" der Økonomie nicht das Papier wert sind, auf dem sie geschrieben sind! Der historische Leitgedanke unbegrenzten Wachstums, Geld und Besitzreichtums der økonomischen Wissenschaften ist doch sowieso faktisch unmøglich! Denn unsere Welt ist begrenzt!

        Die Entfesselung des Konsums, wie betrieben von den Børsen, den Aktionären, der Industrie, der Arbeitswelt.. erschafft nur eine Konfliktzone dummer sozialer Verbraucher Hierarchien und rennt gegen global økologische Grenzen!

        Die EU, Merkel und Schäuble etc. müssen lernen! SYRIZA ist ok.. und Varoufakis hat Recht! Und Marx wird wohlbegründet nicht eingemottet..

  • Ab 05:45 wird nichts mehr gezahlt.

  • Ich halte den Drops auch noch nicht für gelutscht und die Frage, wie kurzfristig die notwendige Liquidität beschafft wird, steht noch immer im Raum. Zwei Wege bleiben daher für mich weiterhin denkbar. Entweder der Weg der Einigung wird nun fortgesetzt und man einigt sich dann auch auf eine Brückenfinanzierung oder Tsipras wird gezwungen sein, einseitig zu handeln um die Katastrophe im Land in den Griff zu bekommen.

    http://www.mister-ede.de/politik/welchen-weg-geht-griechenland/4038

     

    Eine Maßnahme zur kurzfristigen Liquiditätsbeschaffung ist z.B. der Verkauf von Staatseigentum mit Rückkaufoption.

  • Ich bin es leid !

     

    Warum wird von niemandem die Augenwischerei der griechischenden Regierung gegenüber der Bevölkerung thematisiert.

     

    Die Augenwischerei, wir wollen Mitglied der Euro-Gemeinschaft bleiben und können uns das auch leisten. Um jeden Preis. Und den sollen gefälligst andere in Europa bezahlen.

     

    Merkel & Schäuble haben sich nicht als führende Ansprechpartner in die erste Reihe gesetzt.

    Oder habe ich das irgendwo übersehen ?.

  • „Griechenland kann seine Schulden unmöglich zurückzahlen“, singt der Chor der Experten, „das Geld ist weg“. Irgendwie haben sie allesamt eine der bekanntesten Spekulantenweisheiten vergessen: Das Geld ist nicht weg – das hat jetzt nur jemand anders. Aber wer hat es? Griechenland hat es nicht.

    • @Erich Virch:

      Irrtum. Das Geld wurde in Griechenland verkonsumiert oder ins Ausland geschafft von reichen Oligarchen. In den entsprechenden Vierteln Athens stehen mehr Porsche als auf Sylt.

      • @Lee May Rebecca:

        @ div.: Ich lasse micn gern belehren. Kapital, das in Londoner oder Berliner Immobilien, auf Schweizer Banken oder sonstwo angelegt ist, befindet sich natürlich in Händen des griechischen Staates.

  • Dazu hat Günter Grass alles gesagt was gesagt werden musste:

    Europas Schande

    Ein Gedicht von Günter Grass

    Dem Chaos nah, weil dem Markt nicht gerecht, bist fern Du dem Land, das die Wiege Dir lieh.

    .

    .

    Sauf endlich, sauf! schreien der Kommissare Claqueure, doch zornig gibt Sokrates Dir den Becher randvoll zurück.

    Verfluchen im Chor, was eigen Dir ist, werden die Götter, deren Olymp zu enteignen Dein Wille verlangt.

    Geistlos verkümmern wirst Du ohne das Land, dessen Geist Dich, Europa, erdachte.

    https://www.dropbox.com/s/wj51vr24u7d8g6j/Screenshot%202015-07-15%2017.10.19.png?dl=0