Kommentar Grenzen auf dem Balkan: Versuchte Nötigung
Österreich sucht nach Partnern zur Grenzsicherung. Damit wird auch ein erwartbares flüchtlingspolitisches Signal nach Deutschland gesandt.
D er Flaschenhals für die Flüchtlinge auf der Westbalkan-Route wird enger. Die österreichische Innenministerin Johanna Mikl-Leitner erklärte gegenüber Spiegel Online, dass bereits in Slowenien oder Kroatien die europäische Grenze zu sichern sei.
Dieser neuerliche Versuch einer Koordinierung mit den südlichen Nachbarn kann aber nicht nur als Maßnahme souveräner Staaten zur Grenzsicherung gesehen werden: Sie ist auch, vielleicht sogar vordringlich ein Signal an Deutschland und die EU ganz allgemein. Alle Appelle für eine verbindliche gesamteuropäische Lösung sind schließlich fruchtlos geblieben. Selbst die mühsam ausgehandelten Umverteilungsquoten scheinen vergessen zu sein.
Derweil finden Zurückweisungen auf der Route statt – von Deutschland nach Österreich, von Österreich nach Slowenien, welches selbst entsprechende Maßnahmen an der Grenze zu Kroatien ankündigt. Noch handelt es sich um eine geringe Zahl abgewiesener Menschen, aber wer weiß schon was morgen ist.
Die deutsche Debatte um Obergrenzen wird sehr aufmerksam dort verfolgt, wo die „überzähligen“ Flüchtlinge stranden würden. Niemand auf der Westbalkan-Route will die Folgen tragen müssen, wenn der populistische innenpolitische Druck auf Angela Merkel weiter steigt.
Farbe bekennen
Die Schließung der Grenzen in Skandinavien für Flüchtlinge ohne gültige Papiere verursacht schon jetzt einen Rückstau knapp 1.500 Kilometer weiter südlich. Der eher informelle Umgang deutscher Behörden mit der Situation bringt nun Österreich dazu, den großen Nachbarn öffentlich in die Pflicht zu nehmen.
Das Angebot eines gemeinsamen deutsch-österreichischen Einsatzes an der slowenisch-kroatischen Grenze ist dabei in gewisser Weise eine Nötigung auf diplomatischem Wege: Die deutsche Regierung soll endlich Farbe bekennen, und selber dafür Sorge tragen, dass weniger Menschen an ihre Grenzen kommen.
Selbst wenn die europäischen Partner letztlich vielleicht nicht in der Lage sein werden, in der Sache genug Druck aufzubauen: Das Unbehagen mit der unilateralen und arroganten Politik Deutschlands, ob in der Griechenlandkrise oder in der Flüchtlingsfrage, ist nicht mehr zu übersehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Jeder fünfte Schüler psychisch belastet
Wo bleibt der Krisengipfel?
Krieg in der Ukraine
USA will Ukraine Anti-Personen-Minen liefern