Kommentar Glyphosat-Zulassungsskandal: Die Zweifel sind immens

Das Bundesinstitut für Risikobewertung kopiert Urteile aus dem Zulassungsantrag von Monsanto in ihr Gutachten. Wo ist die gebotene Distanz?

Ein Wagen versprüht Glyphosat

Die aktuelle Glyphosat-Zulassung in der EU läuft Ende des Jahres aus, wenn sie nicht wie von der EU-Kommission gewünscht um zehn Jahre verlängert wird Foto: dpa

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) gibt sich gern als Hort der unabhängigen Wissenschaft. Doch wenn es um Pestizide geht, ist es mit Wissenschaftlichkeit und Neutralität zuweilen nicht weit her in dieser Behörde, die maßgeblich an der Zulassung der Chemikalien beteiligt ist.

Das zeigt die Affäre um die BfR-Bewertung des unter Krebsverdacht stehenden Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat: Die Beamten haben einfach seitenweise Urteile über kritische Studien aus dem Zulassungsantrag von Monsanto und anderen Herstellern in ihr Gutachten kopiert. Ohne die Quelle zu nennen – was einem Plagiat entspricht. Und ohne diese Urteile mit eigenen Kommentaren zu versehen. Auch auf dieser Grundlage kommen die BfR-Beamten zu dem Schluss, Glyphosat sei nicht krebserregend.

Die Umstände dieser Bewertung im Sinne der Hersteller nähren erhebliche Zweifel daran, dass das BfR wirklich mit der gebotenen Distanz analysiert.

Das ist nicht das erste Indiz dafür, dass die Pestizidprüfung der Behörde zu wirtschaftsnah ist. Schon länger ist bekannt, dass BfR-Beamte gemeinsam mit Mitarbeitern von Agrochemie-Konzernen zum Beispiel eine Studie geschrieben haben. Das Bundesinstitut lässt sich auch nach eigenen Angaben bis heute in seiner „Kommission für Pflanzenschutzmittel“ unter anderem von Industrievertretern beraten.

All das sind keine Beweise dafür, dass der Persilschein des BfR für Glyphosat tatsächlich falsch ist. Theoretisch könnte es ja sein, dass die Beamten nach bestem Wissen und Gewissen zu demselben Schluss gekommen sind wie die Monsanto-Wissenschaftler. Dass sie sich deshalb die Worte der Industrie zu eigen gemacht haben.

Aber die Zweifel sind immens. Und das BfR konnte sie mit seiner Stellungnahme nicht ausräumen. Denn die bezieht sich gar nicht auf die kritisierten Passagen des Gutachtens, sondern auf andere, in denen die Industriequellen klar genannt werden.

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Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.

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