Kommentar Gasstreit: Riskantes Ränkespiel ums Erdgas

Dass sich der europäische Ärger über kalte Heizungen und Öfen jetzt vor allem gegen Russland richtet und auch die prorussische Bevölkerung im eigenen Land friert, ist für die Ukraine komfortabel.

Russland besitzt in Europa und der Ukraine ein weitgehendes Monopol aufs Erdgas; es kann die Preise beeinflussen, indem es mit Lieferkürzungen droht. Europa hängt aber zudem auch von der Ukraine, die noch ein Durchleitungsmonopol hat, ab. Das macht den Streit zwischen Russland und der Ukraine zu einem raffinierten Ränkespiel.

Im Streit über den Preis hat Moskau seine Lieferungen an die Ukraine eingeschränkt. Dadurch hat die Ukraine nun zwei Möglichkeiten. Sie kann das für Europa bestimmte Gas weiterleiten und die eigenen Engpässe - unter Protest - erdulden. Sie kann aber auch einen Teil für sich abzweigen und die Menge, die es nach Europa durchreicht, drosseln. Die Firma Gazprom geht davon aus, dass Letzteres passiert ist, und spricht von "Diebstahl" - nicht an Russland, wohlgemerkt, sondern an Europa. Denn die Europäer zahlen ja, während die Ukraine das Gas kontrolliert.

Sollten die Ukrainer getan haben, was Gazprom ihnen vorwirft, so werden sie es kaum zugeben. Europa kann sie aber schlecht der Lüge bezichtigen, denn das tut man unter Freunden und potenziellen Verbündeten nicht. Europa muss deshalb Russen und Ukrainer gleichermaßen auffordern, sich friedlich zu einigen: das ist rational.

Dass sich der europäische Ärger über kalte Heizungen und Öfen - und damit auch der politische Druck - jetzt vor allem gegen Russland richtet, ist für die Ukraine komfortabel: Sie kann Russland als unzuverlässigen Vertragspartner vorführen - wobei man dabei allerdings übersehen muss, dass Russland in Handelsfragen bislang vielleicht amoralisch, aber nie dämlich gehandelt hat. Auf der anderen Seite hat die Sache für die Regierung in Kiew auch noch einen innenpolitischen Vorteil. Denn die Drosselung der russischen Gaslieferungen trifft die ganze Ukraine, also auch die prorussische Bevölkerung im Osten. Wenn auch diese jetzt frieren muss, so das Kalkül in Kiew, könnten auch deren Sympathien für Moskau bald dahinschmelzen.

Sollte dieses Szenario stimmen, müsste man vor der Raffinesse der Strategen in Kiew den Hut ziehen. Die Russen aber haben zu kurz gedacht und stehen, so viel ist jetzt schon klar, mal wieder als Bösewichte da.

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