Kommentar G20 und Saudi-Kronprinz: Ein High Five der Mächtigen
Für den saudischen Kronprinzen bin Salman war der G20-Gipfel ein voller Erfolg. Denn der Fall Khashoggi spielte praktisch keine Rolle.
W as für ein arroganter Mistkerl, möchte man rufen! Da wird einer eines bestialischen Journalistenmordes beschuldigt und Wladimir Putin begrüßt ihn kumpelhaft mit einem High Five.
Für den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman war der G20-Gipfel in Buenos Aires ein voller Erfolg. Denn letztlich brachte Putins Machtgeste nur das auf den Punkt, was als Signal vom gesamten Gipfel ausgeht: Wer mächtig genug ist, darf einen Journalisten umbringen, zerstückeln und womöglich in Säure auflösen – und zwar ohne Konsequenzen fürchten zu müssen. Eine regelbasierte internationale Ordnung, wie sie offiziell in der Abschlusserklärung unterstützt wird? Vergangenheit.
Dass zu guter Letzt noch bekräftigt wurde, sich beim übernächsten G20-Gipfel im Jahr 2022 ausgerechnet in der saudischen Hauptstadt treffen zu wollen, verfestigt diesen Eindruck noch.
Um fair zu sein: Dass Mohammed bin Salman den Mord an Jamal Khashoggi in Auftrag gegeben hat oder auch nur darüber informiert war, ist nach wie vor nicht bewiesen. Auch was genau geschehen ist (die Säure etc.), ist unbekannt. Doch ein ungeheuerlicher Verdacht steht im Raum, und er ist begründet. Die Führung in Riad hat eine Bringschuld: Warum hat sie sich nach Khashoggis „Verschwinden“ so dilettantisch selbst widersprochen? Und wo ist überhaupt seine Leiche? Die Saudis wissen es. Sich dazu einfach nicht zu äußern, darf nicht sein.
Dass EU-Ratspräsident Donald Tusk sich vorsichtig für eine ausländische Begleitung der Ermittlungen im Fall Khashoggi aussprach und Macron und May das Thema wohl angesprochen haben, reicht nicht. Für Macron, May, Merkel, Trudeau und andere GipfelteilnehmerInnen, von denen man mehr erwartet als reine Machtpolitik, wäre das Treffen eine Gelegenheit gewesen, sich der Idee der türkischen Regierung anzuschließen und gemeinsam ein Khashoggi-Tribunal zu fordern: eine internationale Untersuchung unter dem Dach der Vereinten Nationen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“