Kommentar Friedensnobelpreis: Preis für mutiges Leben
Drei Frauen bekommen den Friedensnobelpreis, weil sie sich für bessere Lebensverhältnisse in ihren Ländern einsetzen. Das ist toll - aber nicht unproblematisch.
W as für ein wunderbares Signal aus Stockholm, welch Würdigung dessen, was Frauen tagtäglich an Friedens- und Wiederaufbauarbeit leisten, welch Anerkennung der Rolle, die sie in Demokratisierungsprozessen auf der ganzen Welt spielen!
Zum ersten Mal wird der Friedensnobelpreis an drei Frauen vergeben, drei Bürgerrechtlerinnen, die die Auszeichnung gleichermaßen verdienen, sich aber in ganz unterschiedlichen Feldern engagieren.
Es kann schon sein, ja es ist sogar wahrscheinlich, dass diese Dreiteilung eine Kompromissformel des fünfköpfigen Komitees ist - aber das ist zweitrangig.
Denn bei allen Unterschieden gibt es eine große Gemeinsamkeit: Diese Frauen kämpfen seit Jahren für bessere Lebensverhältnisse in ihren Ländern. Es ist Ellen Johnson-Sirleaf und Leymah Roberta Gbowee zu verdanken, dass die unvorstellbaren Wunden in Liberia heilen können, die der fürchterlichste Bürgerkrieg der Welt geschlagen hat - ein Zehntel der Bevölkerung kam dabei ums Leben.
Mit den Liberianerinnen wird stellvertretend auch gewürdigt, wie gerade in Afrika die Friedensarbeit maßgeblich von Frauen getragen wird: wie es die Mütter und Großmütter sind, denen es gelingt, korrupte Strukturen aufzubrechen, wie es meist Frauen sind, die demokratische Wege nach Großkonflikten aufzeigen - gerade in einem Kontinent wie Afrika, in dem es immer noch eine gewisse Heldenverehrung von Diktatoren gibt.
Es sind eben speziell die Frauen, die für ein wirkliches Wohl der Gesellschaft eintreten und darin auch zahlreichen internationalen Friedensorganisationen verlässliche Partnerinnen sind.
Die Jemenitin Tawakkul Karman ist die erste Araberin, die einen Nobelpreis erhält. Damit hat das Komitee ebenfalls nicht nur den mutigen, jahrelangen Einsatz einer Person gewürdigt, sondern stellvertretend alle, die in der arabischen Revolution für mehr Freiheit und Demokratie kämpfen. In Ägypten oder Tunesien muss deswegen niemand enttäuscht sein, das Signal aus Oslo ist klar genug.
In diesem Jahr also eine Entscheidung, die wie kaum zuvor nicht nur ein Individuum, ein Land oder einen spezifischen Bereich ehrt, sondern mindestens die Hälfte der gesamten Weltbevölkerung würdigt und ermutigt. Denn alle drei Preisträgerinnen sind ja noch mittendrin in ihrem kämpferischen Leben.
Wobei die an sich rundum zu begrüßende Preisverleihung - wie schon die Auszeichnung von Barack Obama vor zwei Jahren - auch eine Schattenseite hat. Das Komitee sollte den politischen Einfluss nicht unterschätzen, den es mit seiner Entscheidung nimmt: Bei aller Anerkennung bleibt es problematisch, dass mit Johnson-Sirleaf eine amtierende Präsidentin ausgezeichnet wird, die sich in vier Tagen zur Wiederwahl stellt. Das ist bei aller Wertschätzung für die Verdienste der Bürgerrechtlerin eine zwar ungewollte, aber gleichwohl ungehörige Einmischung in die Politik ihres Landes.
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