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Kommentar FriedensbewegungZum Glück wieder solo

Christian Jakob
Kommentar von Christian Jakob

Die Friedensbewegung hat versucht, sich mit neurechten Mahnwachlern jung zu halten. Nun hat sie endlich erkannt, wie schädlich das war.

Lieber ohne Rechte drumrum: Demonstrant auf einer Demo gegen Kampfdrohnen in Berlin. Foto: imago/epd

M it dem Älterwerden ist es so eine Sache: Nicht jeder mag sich mit den Begleiterscheinungen abfinden, manche versuchen, sie mit zweifelhaften Mitteln aufzuhalten – und machen die Sache damit nur schlimmer. Zum Beispiel die Friedensbewegung.

Im Herbst bändelte sie mit den sogenannten Montagsmahnwachen an. Mit ihrem neuen, deutlich jüngeren Partner hoffte sie, wieder an ihre Hochzeit in den achtziger Jahren anknüpfen zu können. Doch nachdem die erste Euphorie verflogen war, kam der gemeinsame Friedenswinter und mit ihm die Erkenntnis, dass sich die traditionellen Antikriegsorganisationen mit den neurechten Mahnwachlern überaus reaktionäres Gedankengut ins Haus geholt hatten – und nun älter aussahen als je zuvor. Der Streit war heftig, am Ende trennte man sich, noch bevor der Frühling kam.

Jetzt zeigt sich die Friedensbewegung wieder solo: Am Mittwoch protestierte sie in Berlin gegen den von der Air Force Base in Ramstein aus dirigierten US-Drohnenkrieg. Die etablierten Friedens- und Bürgerrechtsorganisationen waren wieder unter sich. Aber das gewissermaßen in Würde. Und mit einem Thema, das aktueller und stärker nach vorn weisend kaum sein könnte.

Die Bundesregierung steht wegen der zweifelhaften Geheimdienstkooperationen zwischen dem BND und den Amerikanern innen- wie außenpolitisch unter Druck, der vermeintlich aseptische Antiterrorkampf per Drohne hat nur wenige Freunde. Ob Berlin gezwungen werden kann, den USA die Erlaubnis für ihren Exekutionsfeldzug von deutschem Boden aus zu entziehen, ist offen. Mit Verschwörungstheoretikern, „Reichsbürgern“ und Antisemiten aber braucht sich die alte Friedensbewegung deshalb nicht einzulassen. Erfreulich, dass sie das selbst auch nicht mehr zu glauben scheint.

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Christian Jakob
Reportage & Recherche
Seit 2006 bei der taz, zuerst bei der taz Nord in Bremen, seit 2014 im Ressort Reportage und Recherche. Im Ch. Links Verlag erschien von ihm im September 2023 "Endzeit. Die neue Angst vor dem Untergang und der Kampf um unsere Zukunft". 2022 und 2019 gab er den Atlas der Migration der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit heraus. Zuvor schrieb er "Die Bleibenden", eine Geschichte der Flüchtlingsbewegung, "Diktatoren als Türsteher" (mit Simone Schlindwein) und "Angriff auf Europa" (mit M. Gürgen, P. Hecht. S. am Orde und N. Horaczek); alle erschienen im Ch. Links Verlag. Seit 2018 ist er Autor des Atlas der Zivilgesellschaft von Brot für die Welt. 2020/'21 war er als Stipendiat am Max Planck Institut für Völkerrecht in Heidelberg. Auf Bluesky: chrjkb.bsky.social
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7 Kommentare

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  • So ein Schmarn.

    1. Die Mahnwachen waren nie Neurechts, da hat einfach jemand zu viel taz gelesen.

    2. Eine Friedensbewegung hat grundsätzlich überhaupt nichts mit Rechts oder Links zu tun. auch über die AfD sollte man sich da freuen, sonst ist man ein Spalter und glaubt an einen selektiven Frieden, doch den gibt es nicht.

    3. Wer glaubt, dass nur Altkommunisten ab 60 einer Friedensbewegung angehören dürfen DER ist rechts.

    • @globelix:

      Man könnte aber auch argumentieren, dass eine Bewegung, die absoluten Pazifismus fordert, nur rechts sein kann, immerhin muss sie dann auch das Vorgehen der Alliierten gegen Nazideutschland verurteilen.

    • @globelix:

      Sehen Sie sich doch einfach das Video an, in dem Lars Märchenholz erklärt, die FED sie für alle Kriege der letzten 100 Jahre verantwortlich und dann noch jenen von ihm geteilten Beitrag, in dem erklärt wird, die FED sei von Juden gelenkt....

  • Bleibt nur noch die Frage, warum sie das jemals für eine gute Idee gehalten haben ...

    • @Christian:

      Die Vorwürfe waren ehr noch zu sanft formuliert. Bspw. vermiss ich einen Bericht über das "frei Energie"-Geschwurbel...

    • @Christian:

      oder es stellt sich die Frage, ob mit den völlig überzogenen Vorwürfen an Montagsmahnwachen nicht ein ganz anderes Süppchen gekocht werden sollte.

       

      Eine Hinwendung zu einem reinen Pazifismus oder eben ein Beharren darauf, dass eine Bundeswehr nur eine Verteidigungsarmee zu sein hat ist schließlich vielen, die vom Frieden reden, ein Dorn im Auge.

      • @Lindenstock:

        "Frieden" war doch nun wirklich das letzte, was die neurechten Montagsmahnwachen interessierte. Den meisten ging's doch eher um verkürzte Kapitalismuskritik und schwarz-weiße Weltbilder. Sah man ja nicht zuletzt am unterirdischen Umgang im Ukrainekrieg. Einerseits auf Lügenpresse und USA schimpfen, andererseits den Kremlsender RT zitieren und Putinkult pflegen - das musste sich doch jeder noch nicht ganz unkritisch gewordene Linke am Kopf kratzen...