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Kommentar Freilassung von Meşale ToluLob des Widerstands

Kommentar von Ali Çelikkan

Bessert sich mit der Freilassung von Tolu die Lage für oppositionelle Stimmen in der Türkei? Eher verschlechtert sich die Lage des Regimes.

Warten auf Tolu: Medienvertreter vor dem Gefängnis im Stadtteil Bakirköy in Istanbul Foto: dpa

E rst Peter Steudtner, nun Meşale Tolu: Wenden sich die Dinge in der Türkei nun zum Guten? Entspannt Präsident Erdoğan sich endlich – und mit ihm die deutsch-türkischen Beziehungen? Das wäre nicht gerade der realistischste aller Weihnachtswünsche.

Tatsächlich bessert sich weniger die Lage für oppositionelle Stimmen in der Türkei oder die bilateralen Beziehungen des Landes, sondern verschlechtert sich vielmehr die Lage des Re­gimes. Erdoğans Regierung ist sich des breiten Widerstands in der Öffentlichkeit – sowohl innerhalb der Türkei als auch außerhalb – sehr wohl bewusst, und das scheint ihr Angst zu machen.

So lässt sich erklären, dass sie nun jene freizulassen beginnt, die sie wissentlich zu Unrecht ins Gefängnis gesteckt hatte, einige früher als andere. Es wird eng für Erdoğan, und um zu verhindern, dass es noch enger wird, lässt er Gefangene frei, während er jeden Tag an anderer Stelle neue macht. Die Regierung ist hilf­loser, als sie sich eingestehen möchte.

Nach Steudtner und Tolu muss auch Deniz Yücel bald freigelassen werden. Andere wiederum werden unter nebulösen Terrorvorwürfen festgenommen und eingesperrt werden. Am Freitag wurde der Journalist Nedim Türfent, der schon 19 Monate hinter Gittern gesessen hatte, zu 9 Jahren Haft verurteilt.

Es wird eng für Erdoğan, und um zu verhindern, dass es noch enger wird, lässt er einige politische Gefangene frei

Am selben Tag wurde der in Deutschland geborene Sedat Çelik am Flughafen in Istanbul festgenommen, als er zur Be­erdigung seines Großvaters in die Türkei einreisen wollte. Die Polizei hatte seine Profile in sozialen Medien überprüft und Anti-Erdoğan-Inhalte gefunden, also: „Terrorpropaganda“.

Wie also kann es besser werden, wenn die Weichen nach wie vor in Richtung Diktatur gestellt sind? Weil die AKP, was immer sie auch tut, die türkische Bevölkerung ebenso wenig zum Schweigen bringen kann wie den Rest der Welt, der den Widerstand gegen das Regime unterstützt.

Schlussendlich ist es dieser Widerstand, der für die Freilassung der politischen Gefangenen sorgt. Und nicht die vermeintliche Gnade der türkischen Regierung.

Übersetzung Johanna Roth

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6 Kommentare

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  • 8G
    81622 (Profil gelöscht)

    Herzlichen Glückwunsch, Mesale Tolu!

  • Das ist doch alles lang geübte Taktik: Erst prescht man so lange und so systematisch über jedes Mass hinaus vor, dass das die neue Normalität wird und jede Kritik daran sich als hilflos entpuppt, dann geht man einen halben Schritt zurück und alle sind erleichtert und froh und kooperationswillig, um wenigstens das zu bekommen.

     

    Das sind typische Taktiken von routinierter Machtausdehnung, die immer wieder funktionieren, wenn man als Politiker nur skrupellos genug ist. Leute wie Erdogan haben sowas einfach drauf.

    • @Mustardman:

      Jau, triffts genau

  • Ich dachte die Türkei ist ein Rechtsstaat, was hat also der Präsident Erdoğan damit zu tun?

    Ich dachte die Türkei ist ein Rechtsstaat, wieso sollte man da Urteile von deutsch-türkischen Beziehungen abhängig machen?

     

    Fakt ist doch diese Entlassungen ändern nicht. Nichts? doch. Sobald alle Bürger der BRD frei sind, gehen uns doch die gefangenen türkischen Bürger am Ar... vorbei.

     

    "Tatsächlich bessert sich weniger die Lage für oppositionelle Stimmen in der Türkei oder die bilateralen Beziehungen des Landes, sondern verschlechtert sich vielmehr die Lage des Regimes. Erdoğans Regierung ist sich des breiten Widerstands in der Öffentlichkeit – sowohl innerhalb der Türkei als auch außerhalb – sehr wohl bewusst, und das scheint ihr Angst zu machen"

     

    Ich würde das einen Fehlschluß nennen. Man will vielleicht Ruhe, weniger einmischung von Außen. Außerdem - jeder Journalist dem sein Leben lieb ist, dürfte begriffen haben: Wenn es gut läuft ein paar Monate Einzelhaft - wenn es gut läuft! Meide die Türkei, Meide Erdogans Einflussbereich.

     

    "Weil die AKP, was immer sie auch tut, die türkische Bevölkerung ebenso wenig zum Schweigen bringen kann wie den Rest der Welt, der den Widerstand gegen das Regime unterstützt."

     

    Noch so ein Tagtraum... Natürlich kann man die zum Schweigen bringen. Polizeistaat, Willkürjustiz, und wenn es hart auf hart kommt, verschwinden halt n paar Menschen. Der kleine Sultan ist nur einen Schritt davon entfernt. Ich schätze aber er ist gut vorbereitet... der Plan dafür liegt wohl schon neben der Akte mit dem Putsch.

    • @danny schneider:

      Ich habe auch den Eindruck, dass in diesem Artikel der Wunsch Vater des Gedanken ist.

       

      Man kann die Fehlsicht der Autorin vor Allem an einem zentralen Fehler festmachen: Es werden nämlich nicht diejenigen entlassen die besonders unschuldig im Gefängnis sitzen, sondern jene, deren politischer Preis am höchsten ist.

       

      Und das sind nun mal die Ausländer.

  • Das ist mal eine gute Nachricht. Man kann nicht Leute die nichts verbrochen haben, über 7 Monate in einem Gefängnis halten, ohne daß darüber geredet wird. Wir haben ähnliche Probleme, nur versteckt sich bei uns der kleine Diktator hinter einer plakativen Wand. Gewonnen wird erst, wenn wir eine offene Diskussion führen und vermeiden, Sündenböcke für unsere Schuld haftbar zu machen. Eventuell muß Demokratie deshalb verboten werden.