Kommentar Freihandelsabkommen TTIP: Wie wollen wir leben?
Die Freunde des Freihandelsabkommens ducken sich weg, vor allem Angela Merkel. Doch im Europa-Wahlkampf muss es prominent auf den Tisch.
W o sind eigentlich die Freunde des Freihandels geblieben? Je näher die Europawahl rückt, desto weniger ist von ihnen zu hören. Dabei wird es langsam eng für die Befürworter des umstrittenen Transatlantischen Handelsabkommens (TTIP). Der Widerstand wächst, der DGB und das SPD-geführte Bundesumweltministerium gehen auf Distanz. Aus Bayern werden neuerdings sogar Rufe nach einer europaweiten Volksabstimmung laut.
Die Rufe dürften noch lauter werden, wenn der Öffentlichkeit bewusst wird, was da verhandelt wird. Die vertraulichen Leitlinien des EU-Ministerrates für die Verhandlungen mit den USA, die jetzt von den Grünen im Europaparlament publik gemacht wurden, bestätigen nämlich manch bösen Verdacht der TTIP-Kritiker. Die Kultur wird doch nicht wie versprochen aus dem Vertragswerk ausgenommen, auch öffentliche Dienstleistungen (etwa imBereich Wasser, Gesundheit oder Bahn) können weiter unter massiven Privatisierungsdruck geraten.
Doch Kanzlerin Merkel, die das Abkommen gemeinsam mit Kommissionschef Barroso ausgeheckt und trotz des NSA-Spionageskandals durchgedrückt hat, duckt sich weg. Dabei gehört sie zu den unbedingten Fans des Freihandels, schließlich geht es ja um die deutsche Exportwirtschaft. Trotz des laut vernehmlichen Grummelns bei ihren Koalitionspartnern SPD und CSU schweigt die Kanzlerin. Sie gibt den Schwarzen Peter lieber an die EU weiter und tut so, als habe sie damit nichts zu tun.
In Brüssel wächst deshalb der Ärger. Vor der jetzt beginnenden Verhandlungsrunde steht die EU-Kommission mit dem Rücken zur Wand. Den wohl wichtigsten Aspekt des TTIP-Abkommens – die geplanten Schutzregeln für Konzerne bei Investitionen – hat die Kommission schon auf Eis gelegt.
Selbst einige EU-Länder ziehen nicht mehr mit. Brüssel will nun erst mal eine Denkpause einlegen und konsultieren. Doch das reicht nicht. Nach allem, was jetzt über die Verhandlungsinhalte bekannt ist, kann es kein business as usual mehr geben. Alle Karten müssen auf den Tisch, auch die deutschen. Berlin darf sich nicht länger hinter Brüssel verstecken.
TTIP muss zu einem großen, vielleicht sogar dem zentralen Thema im Europawahlkampf werden. Schließlich geht es dabei um die Frage, wie wir in Zukunft leben und arbeiten wollen.
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