Kommentar Frauenquote EZB: Jede Menge nachzuholen
Mit der Einführung einer Frauenquote macht die Europäische Zentralbank einen großen Schritt nach vorn. Der war auch dringend nötig.
O b die Proteste im Europaparlament gegen den Luxemburger Yves Mersch als weiteren Mann an der Spitze der Europäischen Zentralbank (EZB) dafür gesorgt haben oder die Notenbank einfach klüger geworden ist, ist nicht überliefert.
Fakt jedenfalls ist: Die EZB, die einflussreichste Währungsbehörde, will jetzt doppelt so viele Frauen in Spitzenämtern haben wie bisher. Im mittleren Management sollen es in spätestens sechs Jahren 35 Prozent Frauen sein und im oberen Management 28 Prozent.
Das ist eine Menge. Aber die EZB hat auch jede Menge nachzuholen. Von den 14 EZB-Generaldirektoren sind nur zwei weiblich. Und im EZB-Rat, dem höchsten Beschlussgremium der Notenbank, gibt es 23 Männer und keine einzige Frau. Nun lehnen Wirtschaftskreise eine Frauenquote gern mit Argument ab, diese sei der Tod von Unternehmen und das Ende der Marktwirtschaft.
Es gebe nämlich nicht genügend qualifiziertes weibliches Personal. Das allerdings entkräftet EZB-Direktor Jörg Asmussen selbst: Die EZB verfüge über viele Top-Women. Großartig!
Man möchte der EZB zu ihrem Riesenschritt gratulieren. Wenn da nicht die massive Kritik an ihr wäre, die die EZB zum Umschwenken zwingt. Zum Beispiel, als sie im Frühjahr die Veröffentlichung einer Studie über Reichtum verzögerte, um besser bei der Zypern-Rettung argumentieren zu können. Oder als sie beschloss, unbegrenzt Staatsanleihen aufzukaufen, um die Euro-Krise in den Griff zu kriegen. Über 35.000 Menschen haben dagegen geklagt.
Nun versucht die EZB, sich von ihrem selbstherrlichen, patriarchalen Image zu befreien. Erst Ende Juli hat sie sich mehr Transparenz verordnet: Künftig sollen die Protokolle der Ratssitzungen im Netz veröfffentlicht werden. Und die Frauenquote soll signalisieren, dass die EZB den Schuss gehört hat, dass sie modern und zukunftsorientiert ist. Für das harte Geschäft mit dem harten Geld, in dem die EZB mitmischt, ist das nicht die schlechteste Idee.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen