Kommentar François Fillons Verhalten: Billige Ausweichmanöver
Der Präsidentschaftskandidat sieht sich als Opfer einer Lynchjustiz und greift damit die Medien an. Das ist billig und ungerechtfertigt.
M it dem Recht auf Unschuldsvermutung Präsidentschaftswahlen gewinnen zu wollen, ist ein riskantes Kalkül. Genau dieses Risiko geht der konservative Kandidat François Fillon in Frankreich ein. Er hört weder auf einige seiner Freunde und noch weniger auf seine Gegner, die ihm wegen der „Penelopegate“-Affäre einen Verzicht nahe legen. Das ist sein Recht, denn er ist nicht verurteilt und noch nicht einmal offiziell angeklagt wegen der mutmaßlichen Unterschlagung öffentlicher Gelder durch eine jahrelange Beschäftigung seiner Gattin und zwei seiner Kinder im Parlamentsbetrieb.
Doch die Fakten liegen auf dem Tisch und auch die offensichtlichen Widersprüche, in die sich Fillon verwickelt hat. Das ist den Medien und allen voran der Satirezeitung „Canard enchaîné“ zu verdanken, die seit hundert Jahren mit ihren Enthüllungen eine unersetzbare demokratische Rolle erfüllt. Ausgerechnet diese unerschrockene „Ente“ und andere Medien greift Fillon jetzt an. In einer Pressekonferenz am Montagnachmittag versuchte er den Spieß umzudrehen und bezichtigte die Medien der böswilligen Verdrehung und Unterstellung. Sich selbst bezeichnete er als Opfer einer „Lynchjustiz“ und „Hetzjagd“, nachdem er zuvor von einem „institutionellen Komplott von links“ gefaselt hatte.
Fehlte nur noch, dass er von „fake news“ gesprochen hätte. Sein Angriff auf die Medien ist billig – und ungerechtfertigt. Schließlich haben sie nur ihrer Informationspflicht entsprechend publiziert, was der sonst so auf Transparenz pochende Kandidat Fillon unter Verschluss halten wollte. Da geht es nicht um Intimes aus der Privatsphäre und schon gar nicht um einen Angriff auf seine Frau Penelope, sondern um Praktiken und Verhaltensweisen im politisch-öffentlichen Bereich, die ethisch wie juristisch berechtige Fragen aufwerfen.
Fillon hat sich zuletzt bei den Franzosen entschuldigt, weil er immerhin verstanden hat, dass er Anstoß erregt. Als habe er ungewollt einen Passanten angerempelt. Doch mit der Floskel „Excusez-moi“ dürfte er sich wohl kaum aus der Affäre ziehen können.
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