Kommentar François Fillon: Das ist peinlicher Starrsinn
Sein Auftritt war theatralisch, die Wortwahl pathetisch. Der Präsidentschaftskandidat hat die Chance für einen würdevollen Rückzug vertan.
F rançois Fillon will trotz der gerichtlichen Ermittlungen weiterhin für die Präsidentschaftswahlen kandidieren. So sei es. Dass er zu dieser Ankündigung aber die Medien einberufen und Spekulationen über seinen Rückzug in Gang gebracht hatte, ist peinlich. Sein Auftritt war theatralisch, die Wortwahl pathetisch und angesichts der schweren Vorwürfe in der „Penelopegate“-Affäre ziemlich deplatziert. Fillon hat so vielleicht die letzte Chance verpasst, mit erhobenem Haupt von der Bühne abzutreten und einem Vertreter oder einer Vertreterin seiner politischen Familie mit besseren Wahlaussichten den Platz zu überlassen.
Trotz der gegenteiligen Ergebnisse der polizeilichen Voruntersuchung findet Fillon nichts Unrechtes daran, seine Gattin als fiktive Parlamentsassistentin mit öffentlichen Geldern zu bezahlen und ihr einen ebenso lukrativen wie stressfreien Job als literarische Beraterin in der Revue eines Freundes zu verschaffen, den er danach dankend in die Ehrenlegion befördert.
Darum erklärt er sich gnädigst bereit, der Vorladung der Untersuchungsrichter Folge zu leisten. Empört ist er, weil die Justiz nun Tempo macht – und ihn im Voraus über die gegen ihn geplanten Schritte informiert. Eigentlich müsste er dankbar sein: Wenn er so unschuldig ist, wie er beteuert, hätte er alles Interesse daran, so rasch wie nur möglich widerlegen zu können, was ihm und seiner Frau angelastet wird.
Für die Rolle als angebliches Opfer eines „politischen Mords“ gewänne Fillon bestimmt keinen Oscar. In anderen parlamentarischen Demokratien würde man in dieser Kategorie der Politiker, die sich mit billigen Verschwörungstheorien und Attacken auf die Justiz aus der Affäre ziehen wollen, schon lange niemanden mehr nominieren wollen. Indem Fillon die Justiz zu diskreditieren versucht, um seinen Kopf zu retten, kompromittiert er Frankreichs Politik in ganz Europa. Zu gut erinnert man sich noch an die überhebliche Art und Weise, in der Nicolas Sarkozy sich gegen jeden Verdacht auf illegale Finanzierung zur Wehr setzte.
Man hatte gehofft, dass 2017 solche Praktiken endlich der Vergangenheit angehören würden. Aber nein: Fillon und auch Marine Le Pen beweisen mit den bereits hinlänglich enthüllten Affären, wie es in Frankreich Politiker, die das höchste Amt anstreben, mit der Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz halten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen