Kommentar Fluggastdaten: Der Trend zum Überwachungsstaat
Die EU plant eine eigene Vorratssammlung von Fluggastdaten. Wird sich in Deutschland Widerstand dagegen regen? Zweifel sind angebracht.
F rüher war alles übersichtlicher. Da konnten sich die Europäer entrüsten, wenn die USA die Daten europäischer Flugreisender fünfzehn Jahre lang speichern und auswerten wollten. Das wollen die USA zwar noch immer, und jetzt soll auch ein neues Abkommen geschlossen werden, doch in Europa hat man längst ähnliche Pläne. Und die Diskussion über die NSU-Nazimorde hat gezeigt, dass auch in Deutschland ein Bedürfnis nach allwissenden Sicherheitsbehörden besteht.
Die Sammlung der Fluggastdaten ist eine gewaltige Vorratsdatenspeicherung. Auf diese Datensammlung wird nicht nur im Verdachtsfall zugegriffen, sondern sie wird sogar genutzt, um erst einen Verdacht zu erzeugen. Die Methoden des US-Heimatschutzministeriums sind undurchschaubar. Die Folgen auch. Doch können die Europäer die USA hier zu nichts zwingen. Schließlich geht es um die Einreise auf ihr Territorium.
Bedenklicher ist, dass die EU inzwischen eine eigene Vorratssammlung von Fluggastdaten plant. Zwar sollen die Daten nur fünf Jahre lang gespeichert werden, doch das Prinzip ist das gleiche. Selbst den Verdachterzeugungsvoodoo wollen die Europäer den USA nachmachen. In Dauer und Qualität geht die geplante Regelung für Fluggastdaten sogar noch über die umstrittene EU-Vorratsdatenspeicherung für Telekom-Daten hinaus.
ist rechtspolitischer Korrespondent der taz.
Wird sich in Deutschland Widerstand dagegen regen? Angesichts der jüngsten Diskussion über den Nazi-Terror sind Zweifel angebracht. Die dröhnendsten Kritiker der Sicherheitsgesetze riefen jetzt auch am lautesten "Staatsversagen", weil die Sicherheitsbehörden die rechte Terrorgruppe nicht erkannt haben. Eine vorübergehende Hysterie - oder dreht sich das innenpolitische Klima nachhaltig zugunsten eines allwissenden Präventivstaats?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Scholz zu Besuch bei Ford
Gas geben für den Wahlkampf