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Kommentar FlüchtlingspolitikEin europäisches Trauerspiel

Sabine am Orde
Kommentar von Sabine am Orde

Berlusconi und Co. nutzen die Not der Flüchtlinge um innenpolitisch Kapital zu schlagen. Der deutsche Innenminister zieht nach und macht die Grenze dicht, auch wenn Menschen ertrinken.

I n einem zumindest haben die Innenpolitiker der CSU, die sich derzeit wie in längst vergangen geglaubten Zeiten als Scharfmacher in Sachen Flüchtlingspolitik hervortun, recht: Der Notstand auf der Mittelmeerinsel Lampedusa, auf der seit dem Sturz des tunesischen Präsidenten Ben Ali mehr als 20.000 Flüchtlinge auf Nordafrika angekommen sind, ist inszeniert.

Wenn Italien nur wollte, wäre das Land durch die Anzahl der Flüchtlinge nicht überfordert, sondern könnte sie menschenwürdig aufnehmen.

Doch Berlusconi und Co. nutzen die Not der Flüchtlinge innenpolitisch und bereiten zugleich Kommendes vor, denn die Zahl der Menschen, die unter Lebensgefahr versuchen, Europa zu erreichen, wird vermutlich weiter zunehmen.

Innenpolitischen Profit verbucht auch der deutsche Innenminister, der nun droht, jedem fortschrittlichen Europa-Gedanken zum Trotz die Kontrollen an den Grenzen zu verschärfen und von Italien mit einem Visum ausgestattete Flüchtlinge nicht einreisen zu lassen.

Bild: anja weber

SABINE AM ORDE ist stellv. Chefredakteurin der taz.

Friedrich weigert sich, die europäische Verantwortung für die Flüchtlinge, die in Italien, auf Malta oder in Griechenland ankommen, zu begreifen. Er will sie weiter in der Zuständigkeit der Länder verbannt wissen, die an den Rändern Europas liegen.

Wohin das führt, hat erst jüngst das Beispiel Griechenland gezeigt, wo schlicht kein funktionierendes Asylsystem existiert und wo weder die Deckung menschlicher Grundbedürfnisse noch die medizinische Versorgung der Flüchtlinge gewährleistet ist.

An Friedrichs Haltung ändert auch seine Zusage nichts, einhundert der Flüchtlinge aufzunehmen, die auf Malta gestrandet sind. Denn das ist nicht nur eine verschwindend kleine Anzahl, sondern vor allem die Ausnahme von der Regel.

Und die lautet: Das Land, über das ein Flüchtling in die EU einreist, ist auch für diesen Flüchtling zuständig. So steht es in der europäischen Asylzuständigkeitsregelung, die Dublin II genannt wird.

Diese Regelung - seit Griechenland angeknackst - will Friedrich retten. Denn sie bedeutet, dass ein Land wie Deutschland kaum Verantwortung für Flüchtlinge übernehmen muss. Schließlich kommen die meisten hier einfach nicht rein.

Angesichts sehr niedriger Asylbewerberzahlen hätte Deutschland die Kapazität, Flüchtlinge aufzunehmen. Doch Deutschland macht dicht, auch wenn andere Menschen im Mittelmeer ertrinken.

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Sabine am Orde
Innenpolitik
Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.
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10 Kommentare

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  • FB
    Franz Beer

    Deutschland sollte sich schämen.Das Leid dieser Flüchtlinge,die bestimmt nicht Emigrieren um vom Deutschen Staat Sozialeistungen zu erhalten,läßt Hard-liner Friederich kalt.Diese Menschen haben Ihre Familien, Hunger ,Leid ,Not und Tod hinter sich gelassen .Herr Friederich wofür steht das C bei Ihrer Partei?und Ihrem Koalitionspartner CDU ?Was sind denn Bitte 25000 Menschen für den Europäischen Raum?Und Ich bin überigends erschrocken das Solch Menschenverachtende Beiträge wie der von dem Leserbriefschreiber IM-Wilke hier bei der Taz überhaupt veröffentlicht werden.Ich möchte Herrn Wilke nicht beleidigen,aber Ich unterstelle Ihm mal jedliiche Sozialkompetenz.

  • L
    Libertiner

    Man sollte auch bedenken das die Kassenlage mehrend die deutsche Politik bestimmt. Hauptsächlich in sozialen Bereichen, wird im Interesse der Kassenlage schon seit einiger Zeit das Grundgesetz missachtet.Dazu kommt , dass all die Kosten weniger oder gar nicht die Reichen belasten, sondern den "Normal-Bürger". Jemand schrieb mal in einem Buch, dass jemand, der aus der Erde ein Paradies machen wollte, die Hölle schuf... Wenn ich alle Nachbarskinder ernähre, verhungern meine eigenen!Denn die Reichen verlassen das Land bei zu hohen Steuern und die "Guten" verhungern dann.

  • L
    Lucia

    >>Wenn Italien nur wollte, wäre das Land durch die Anzahl der Flüchtlinge nicht überfordert, sondern könnte sie menschenwürdig aufnehmen. denn die Zahl der Menschen, die unter Lebensgefahr versuchen, Europa zu erreichen, wird vermutlich weiter zunehmen...>Friedrich weigert sich, die europäische Verantwortung für die Flüchtlinge, die in Italien, auf Malta oder in Griechenland ankommen, zu begreifen.Angesichts sehr niedriger Asylbewerberzahlen hätte Deutschland die Kapazität, Flüchtlinge aufzunehmen.

  • DA
    Don Alfonso

    Deutschland alleine hat waehrend des Bosnien Krieges 350,000 Fleuchtlinge aufgenommen.

    Offengestanden ich verstehe das Problem der Italiener nicht.

  • JK
    Jürgen Kluzik

    @ IM Wilke:

     

    "Wer sich in Gefahr begibt, kommt manchmal darin um."

     

    Was wollen Sie uns damit sagen?

     

    Dass Sie sich in Ihrer "Festung Europa" sicher fühlen?

     

    Wer diesen Flüchtlingen den Stinkefinger zeigt, begibt sich nicht in Gefahr?

  • N
    neuhaus

    italien hat die 26000 bereits aufgenommen, denn wenn die visa für rest eu nicht gilt bleiben die flüchtlinge in italien. nicht in asylheimen, kzs, wie in deutschland sondern in normalen wohnungen, die sie von ihrem joblohn bezahlen. so war es stets und auch die zukunft noch so ist!

     

    lg

  • H
    hto

    Zu behaupten es ist ein europäisches Trauerspiel, ist wieder nur Blödsinn der gewohnten Sündenbocksuche der systemrational-gebildeten Suppenkaspermentalität.

     

    Es ist ein heuchlerisch-zynisches Schauspiel der Hierarchie in materialistischer "Absicherung" des "freiheitlichen" Wettbewerbs um ... - die Spielregeln: der geistige Stillstand in "Wer soll das bezahlen?", "Arbeit macht frei" und konfusionierender Überproduktion an Kommunikationsmüll.

     

    Längst müßte Mensch den Pfad der reinen / unkorrumpierbaren Vernunft gefunden haben, in einem global bedingungslosem MENSCHENRECHT auf Nahrung, Wohnen und Gesundheit, mit allen daraus MENSCHENWÜRDIG resultierenden Konsequenzen / Möglichkeiten - wenn GRUNDSÄTZLICH alles allen gehört, kann PRINZIPIELL alles zweifelsfrei ORGANISIERT werden, OHNE Steuern zahlen, OHNE "Sozial"-Versicherungen, OHNE manipulativ-schwankende "Werte", OHNE irrationalem Zeit-/Leistungsdruck zu einer Karriere von Kindesbeinen, usw., und die Symptome des geistigen Stillstandes haben keine Macht mehr!?

  • J
    Jan

    Der Überschrift des Artikels bleibt eigentlich nichts hinzu zu fügen.

    Das ist einfach nur peinlich für Gesellschaften, die für sich selbst beanspruchen den Menschenrechten gerecht zu werden.

  • CW
    Christian Weilmeier

    Die Mehrheit der Deutschen fürchtet sich laut einer aktuellen Umfrage vor den revolutionären Umwälzungen in den arabischen Ländern und will nicht damit behelligt werden. Eine beeindruckende Parallele zur Finanz- und Eurokrise. Auch bei dieser flüchten Politiker und Bürger gemeinsam aus der Wirklichkeit in eine aus Schulden gemachte Scheinwelt.

  • IW
    IM Wilke

    "Doch Deutschland macht dicht, auch wenn andere Menschen im Mittelmeer ertrinken."

     

    Wer sich in Gefahr begibt, kommt manchmal dabei um.