Kommentar Flüchtlinge in Antalya: Das Ende der Solidarität
Die Türkei hat über 1,5 Millionen syrische Flüchtlinge aufgenommen. Doch die Unterstützung schwindet. Das Land steht vor enormen Problemen.
S yrische Flüchtlinge ohne gültige Papiere müssen die türkische Urlaubsmetropole Antalya verlassen. Sie haben zwei Wochen Zeit zu verschwinden, sagte der örtliche Polizeichef, oder wir stecken sie in Lager. Antalya ist die wichtigste Touristenmetropole der Türkei am Mittelmeer. Bettelnde syrische Flüchtlinge passen da nur schlecht ins Bild. Um keine Besucher abzuschrecken, sollen sie nun verschwinden.
Das hört sich sehr unmenschlich an, doch die Meldung ist ein Indiz, mehr noch, sie ist ein Alarmzeichen dafür, welche enormen Probleme sich gerade in der Türkei im Umgang mit den Flüchtlingen aus dem Nachbarland entwickeln.
Die Türkei hat in den vergangenen drei Jahren mindestens 1,5 Millionen Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen, wahrscheinlich sind es sogar weit mehr. Als die gewaltsame Niederschlagung der syrischen Demokratiebewegung begann, wurden die Flüchtlinge noch mit offenen Armen aufgenommen.
Die schrecklichen Bilder aus dem Nachbarland und die Erwartung, dass der Diktator schnell gestürzt werden würde, führten zu einer großen Solidarität. Mittlerweile wurde aus den Kämpfen in Syrien ein Bürgerkrieg, über dessen Akteure oft Unklarheit herrscht und von dem einzig klar ist, dass er wohl noch lange dauern wird.
Die Masse der Flüchtlinge, die wohl über Jahre bleiben werden, schafft nun Probleme, auf die das Land nicht vorbereitet ist. Arbeit, Ausbildung und Unterbringung für eineinhalb Millionen Menschen sind auf die Schnelle nicht zu beschaffen.
Schon lange bevor Antalya beschlossen hat, ungebetene Gäste abzuschieben, gab es Auseinandersetzung in Antakya, Gaziantap und Kahramanmarasch, den Städten im Südosten des Landes, wo Hunderttausende Syrer Unterschlupf suchen. Die Türkei braucht, wie die anderen Nachbarländer Syriens, dringend Unterstützung aus dem vergleichsweise reichen Europa.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste