Kommentar Feinstaub in Deutschland: Mehr Peking in Stuttgart
Appelle, das Verpesten der Luft freiwillig zu unterlassen, sind viel zu halbherzig. Wir brauchen Verbote – wie in China und Italien.
S ie sind winzig klein – und dennoch letal: Minipartikel aus dem Abrieb von Reifen und Bremsen, Ruß aus Auspuffen und Schloten sowie simpler Straßenstaub dringt in Bronchien, Lungen und Blutbahnen ein und führt jährlich zu Tausenden Toten. Betroffen sind vor allem Kinder, Alte und Kranke – auch in Deutschland.
Doch eine unselige Lobby aus Autobauern und Behörden ist offenbar unwillig, wirklich etwas gegen das Umweltdrama auf unseren Straßen zu unternehmen. In Stuttgart hat diese Koalition der Lahmen nur Papierpolitik produziert. Immerhin ist Stuttgart – von Umweltschützern schon als „deutsches Peking“ beschimpft – als erste Stadt in Deutschland das Feinstaubproblem aber überhaupt mit einem eigenen Ansatz angegangen.
Doch wie mutlos, zeigt sich an den konkreten Regelungen für die Landeshauptstadt, in der nicht zufällig zwei große Autokonzerne ihre Zentralen haben. Freiwillige Appelle an Pendler oder Kaminbesitzer, das Verpesten der Luft doch jetzt sein zu lassen, sind viel zu halbherzig. Den Pendler zu bitten, seine Dreckschleuder in der Garage stehen zu lassen, ist, wie einen Kettenraucher zu bitten, nicht so viele Zigaretten zu paffen. Ohne Sanktionen oder echte Verbote kann es nichts nützen.
Peking ist da tatsächlich Vorbild – zum Beispiel jetzt schon für einige Städte in Italien. Wie in China mussten Ende vergangenen Jahres auch in Rom Autos mit geraden und ungeraden Endziffern auf den Nummernschildern tageweise auf ihre Ausfahrt verzichten, nur alle Hybrid- oder Elektroautos durften weiterfahren. Wegen Feinstaub-Rekorden gab es auch Verbote in Mailand, Neapel oder Turin.
Auch in Deutschland brauchen wir ähnliche Regelungen – keine Vielleichts mehr, keine Mahnungen. Das Feinstaubproblem und seine Auswirkungen sind viel zu lange bekannt. Es hilft kein Bitten und Betteln – nur noch ein knallharter Kurs gegen die deutschen Autoblockheads.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Gerichtsentscheidung zu Birkenstock
Streit um die Sandale