Kommentar Fall Zumwinkel: Was des Staates ist
Man kann das Verhalten von Managern abstoßend finden - die Gesetze, die ihnen derlei erlauben, haben nicht sie gemacht. Der Staat sollte Gemeinwohl von persönlichem Ethos entkoppeln.
Es gibt kaum etwas Schöneres für Politiker als die Gewissheit, sich einig zu wissen mit der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung. Volksvertreter haben deshalb allen Grund, Klaus Zumwinkel dankbar zu sein. Dessen Entscheidung, sich seine Pensionsansprüche in Höhe von 20 Millionen Euro auszahlen zu lassen, kann angesichts der Wirtschaftskrise nur als dreist bezeichnet werden. Dafür müsste er nicht einmal wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden oder in einen Datenskandal verwickelt sein. Was für eine Gelegenheit also, mit markigen Worten draufzuschlagen und sich des öffentlichen Beifalls gewiss zu sein!
Und was für eine Chance, über etwas zu reden, das am Kern des Problems vorbeigeht. Man kann das Verhalten einzelner Manager noch so abstoßend finden - die Gesetze, die ihnen derlei erlauben, haben nicht sie verabschiedet. Über Jahre hinweg sind hohe Gehälter für Spitzenkräfte und Steuervergünstigungen für Großkonzerne mit Hinweisen auf angeblich zwingend notwendige Bedingungen für den Industriestandort Deutschland gerechtfertigt worden. Erinnert sich jemand an das schöne Wort "Neiddebatte"? Immer wieder gerne benutzt, vor allem von der FDP.
Allerdings sind dem Gesetzgeber im Kapitalismus enge Grenzen gezogen. Es herrscht Vertragsfreiheit. Gehälter in der Privatwirtschaft werden nicht vom Parlament festgelegt. Der Staat kann nur mitreden, wo er beteiligt ist. Statt sich wohlfeil über Zumwinkel zu empören, sollte deshalb darüber diskutiert werden, ob die viel gepriesene Privatisierung von Staatsbetrieben wie Post und Bahn tatsächlich im Interesse der Bevölkerung lag.
Der Versuch, von den Ursachen der Krise mit individuellen Schuldzuweisungen abzulenken, verstellt den Blick für das, was jetzt tatsächlich getan werden müsste. Es ist nicht die Aufgabe von Politikern, an Ehrgefühl zu appellieren. Stattdessen müssen sie Gesetze so fassen, dass das Gemeinwohl nicht von persönlichem Ethos abhängt. Ein Wohlfühlgespräch lässt sich darüber nicht führen. Aber Politiker werden auch nicht dafür bezahlt, sich wohl zu fühlen.
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