Kommentar Fahrverbote in Hamburg: Einstieg in den Diesel-Ausstieg
Minifahrverbote in Hamburg sind nicht genug. Aber sie werden es anderen Ländern und Kommunen erleichtern, denselben Weg zu gehen.
S eit zehn Jahren gelten in Europa Grenzwerte für Schadstoffe, die 2017 in 66 deutschen Städten überschritten wurden. Die EU-Kommission hat deshalb nun Klage gegen Deutschland und fünf weitere Mitgliedsländer wegen zu hoher Stickoxidwerte eingereicht. Immerhin sterben jedes Jahr 400.000 Europäer wegen schlechter Luft. Die Verursacher, also die Produzenten von mit betrügerischer Software ausgestatteten Autos, ziehen sich derweil mit untauglichen Updates aus der Affäre.
Ist es überzogen, wenn die Stadt Hamburg nun die ersten City-Fahrverbote für die Stinkekisten ausspricht? Auf einer Strecke von knapp 2,3 Kilometern? So hat es immerhin das Bundesverwaltungsgericht im Februar erlaubt. Die AfD spricht trotzdem von einem „Schmierentheater der selbst ernannten Klimaretter“ im rot-grünen Senat, die Welt von „Anti-Diesel-Wahn“. Und für die Bundesregierung ist der Diesel, logo, eine „Zukunftstechnologie“.
Nein, die Fahrverbote sind die Ultima Ratio gegen eine verfehlte Verkehrspolitik. Hierzulande gilt weiter freie Fahrt für freie Bürger. Und das ist schlecht so. Für die Gesundheit, für die Umwelt, für die Zukunft des Technikstandorts Deutschland. Ja, die Minifahrverbote in Hamburg sind nicht genug. Ja, sie dürften dazu führen, dass die Dieselschleudern nun auf Straßen ohne Messstellen ausweichen.
Eigentlich bräuchten wir sogar Blaue Plaketten – ergo flächendeckende Fahrverbote. Das Bundesverwaltungsgericht hat festgestellt, dass die schwere Kontrollierbarkeit dieser Maßnahme nicht dagegen spricht, sie einzuleiten.
Irgendwer muss anfangen. 1892 wurde das Patent angemeldet, 2018 ist Hamburg Vorreiter dabei, endlich die Ära des Diesels zu beenden – zugunsten nachhaltiger, sauberer Mobilität. Die Verbote werden es anderen Ländern und Kommunen erleichtern, denselben Weg zu gehen. Hamburg ist der Einstieg in den Dieselausstieg. Vielleicht halten neue Dieselautos die Grenzwerte ein. Bloß: Wer wollte das nach all den Skandalen dann noch wissen?
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
Prozess gegen Maja T.
Ausgeliefert in Ungarn
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Bundesregierung und Trump
Transatlantische Freundschaft ade
ifo-Studie zu Kriminalitätsfaktoren
Migration allein macht niemanden kriminell