piwik no script img

Kommentar Facebooks DatenmissbrauchVertrauen verspielt

Kommentar von Tanja Tricarico

Hat Facebook geholfen, die US-Wahl zu beeinflussen? Das dürfte das Unternehmen viel von dem naiven Vertrauen kosten, das es groß gemacht hat.

Freunde, vertraut mir doch! Der Facebook-Chef hat ein Glaubwürdigkeitsproblem Foto: ap

Z eige mir, wer du bist, wo du wohnst und wen du magst. Und ich sage dir, was du wirklich willst. So funktioniert das Geschäftsmodell von Facebook. Rund 1,4 Milliarden Menschen weltweit spielen dieses Spiel mit und machen Mark Zuckerberg zu einem der erfolgreichsten Unternehmer aller Zeiten.

Das Spiel funktioniert, weil Facebook seinen Nutzern ein Versprechen gibt: Du bestimmst, was deine Freunde von dir wissen. Zumindest steht das in den vielen Erklärungen und den freiwilligen Selbstverpflichtungen, die Zuckerberg unterschrieben hat. Was dort nicht steht, ist, dass all deine neuen und alten Freunde in der Internetwelt auch gerne wissen möchten, was du magst. Facebook hat ihnen diesen Wunsch gerne erfüllt.

Zum Freundeskreis der Datenliebhaber gehörte auch die britische Analysefirma Cambridge Analytica. Sie hatte Zugriff auf rund 50 Millionen Facebook-Nutzerprofile. Aus den Daten bastelten die Analysten politische Anzeigen, die genau zur Kundschaft passten. Vermutlich waren sie entscheidend im Wahlkampf um das Amt des US-Präsidenten.

Nun ist der Aufschrei groß. In den USA macht die Handelsaufsicht Druck auf Zuckerberg. EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani lädt den Facebook-Chef vor. Auch in Deutschland rumort es. Justizministerin Katarina Barley (SPD) will Facebook zur Verantwortung ziehen und die Parlamentarier des Digitalausschusses im Bundestag berufen hektisch eine Sondersitzung ein.

Überall Empörung und Enttäuschung. Darüber, dass das soziale Netzwerk nicht sorgsam mit den Daten seiner Kunden umgeht, über den üblen Verdacht, dass Facebook den unberechenbaren Donald Trump dazu verholfen hat, zum mächtigsten Mann der Welt zu werden. Tja, wer hätte das gedacht. So mancher Datenschützer dürfte sich ein hämisches Grinsen nicht verkneifen.

Gezielte Wahlbeeinflussung? Selbst Verfechter der freien Datennutzung rufen nun nach schärferen Gesetzen

Die Dimension des Datenmissbrauchs größer als zuvor. Die Verschiebung privatester Details durch private Anbieter, um gezielt Wahlen zu beeinflussen? Das bringt selbst die liberalsten Verfechter der freien Datennutzung dazu, nach schärferen Gesetzen und mehr Regulierung zu rufen. Gesetze oder Klagen in Milliardenhöhe könnten zumindest helfen, die Auswüchse einzudämmen.

Mark Zuckerberg gibt sich jetzt kleinlaut. Nach Tagen des Schweigens äußerte er sich am Dienstagabend. Man sei sich des Ernstes der Lage bewusst, lässt er mitteilen. Facebook werde alles tun, um die Informationen der Nutzer zu schützen. Doch dieses Mal werden solche Beteuerungen nur wenig helfen. Facebooks Währung ist die naive Datenspende, das Vertrauen der Freunde. Das hat Zuckerberg verspielt – hoffentlich.

1,4 Milliarden Menschen verlassen Facebook. Gleich morgen oder spätestens in der kommenden Woche. Das wäre mal ein echter Erfolg für den Datenschutz.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
  • Schön, dass hier mal thematisiert wird, dass FB/whatsapp/etc.-Nutzer nicht nur der Weitergabe ihrer eigenen Daten zustimmen, sondern diesen Konzernen auch über den Zugriff auf ihre Adressbücher (whatsapp), Emailinhalte (gmail) etc. die Daten ihrer Freunde, Bekannten und Kollegen ausliefern, die diese Dienste ganz bewusst nicht nutzen und solcher Datenweitergabe auch nie zugestimmt haben. (Obwohl die Nutzungsbedingungen von den Usern meist mehr oder weniger verklausuliert verlangen, von sämtlichen Bekannten solche Einverständniserklärungen einzuholen, so die juristische Verantwortung für Datenweitergabe Dritter/ohne Zustimmung einfach abwälzen und sich so selbst in Ländern aus der Affaire ziehen, wo wie hier theoretisch Gesetze gegen unberechtigte Datensammlung Dritter bestehen.)

    Viele Artikel auch hier in der taz klingen nämlich immer so, als ob nur die Facebook/whatsapp/etc. - NUTZER ein Problem hätten und das Absaugen von Daten wird von diversen Kommentatoren auch gerne mit hämischen "selber schuld"-Kommentaren versehen, was beides am eigentlichen Problem leider vorbei geht. Dass diese Konzerne nicht nur ihre Nutzer äußerst unzureichend informieren, sondern sich selbst ganz bewusste nicht-Nutzer ihrer Datensammelei gar nicht entziehen können, ist der eigentliche Skandal, dem dringend endlich ein wasserdichter gesetzlicher Riegel vorgeschoben gehört.

     

    Die Tatsache, dass man sich auch als nicht-Nutzer nicht mehr entziehen kann, betrifft auch die im letzten Abschnitt nur unzureichend angedeutete Problematik, dass FB, google und Co auch außerhalb ihrer Apps und Webseiten fleißig Daten über Lese-und Verhaltensweisen sammeln und aus diversen Quellen zusammenfügen - z. B. auch über die quer durchs Internet in fast alle Webseiten AUCH BEI DER TAZ eingebundenen social media "widgets" und zugehörige cookies und tracking, das sich selbst von bewussten Internetnutzern nur schwer bis gar nicht ganz unterbinden lässt. Wann schmeisst ihr das mal raus, hmm?

  • "Zeige mir, wer du bist, wo du wohnst und wen du magst. Und ich sage dir, was du wirklich willst. So funktioniert das Geschäftsmodell von Facebook."

    Nein, das ist NICHT Facebooks Geschäftsmodell.

    "Gib uns deine Daten und wir verkaufen sie an jeden, der zahlt." - SO lautet Facebooks Geschäftsmodell. Und jede/r könnte das wissen, wenn er/sie sich die AGBs vor dem zustimmenden Klick durchlesen würde. Erst jetzt empört sein, ist ein Zeichen von Naivität.

  • Liebe Journalisten, bitte Facebook nicht mehr "soziales Netzwerk" nennen. Sondern als das, was ihm Geld wirklich bringt: Datenhändler.

     

    Wobei die Grenzen zu reinen Händlern eher fließend sind: https://de.wikipedia.org/wiki/Acxiom

    (letzter Absatz)

  • "Facebook werde alles tun, um die Informationen der Nutzer zu schützen"

     

    Ja is klar. Dann müssten sie den Laden zumachen. Und Instagram und WhatsApp gleich mit. Denn das Geschäftsmodell ist, Daten der Nutzer zu verhökern, das Gegenteil von Daten zu schützen. Jetzt ist das halt mal aufgefallen und das Problem endlich für viele nachvollziehbar. Warte mal ... bisher haben doch angeblich "die Russen" ™ die US-Wahlen manipuliert? Wie denn jetzt? Könnt ihr euch mal entscheiden?

     

    Dass ihre Kampagne im US-Wahlkampf entscheidend war, wie London Analytica behauptet, halte ich für Marketinggeschwätz dieser Firma. Entscheidend ist aber, dass man mit Unmengen von persönlichen Daten grundsätzlich die gesamte Gesellschaft manipulieren und steuern kann, praktischerweise intransparent für die Betroffenen. Da sind "Wahlen" zwischen Pest und Cholera, auf die mit gezielten Nachrichten versucht wird, Einfluss zu nehmen, eher eine Kleinigkeit. Einfach mal nach China schauen, die sind beim "social engineering" mit Hilfe von Datenreichtum schon wesentlicher weiter: https://www.theverge.com/2018/3/16/17130366/china-social-credit-travel-plane-train-tickets

  • »Facebook werde alles tun, um die Informationen der Nutzer zu schützen.«

     

    Absurdes Theater...

  • Vertrauen verspielt - Mach Bosse!

     

    Wohl mit nem Klammerbeutel gepudert

    Oder was?!

  • "Vermutlich waren sie entscheidend im Wahlkampf um das Amt des US-Präsidenten."

     

    Das ist doch arg übertrieben...

     

    "Überall Empörung und Enttäuschung."

     

    Wo waren denn Empörung und Enttäuschung als sich Obama in seinen 2. Wahlkampf exakt der gleichen Methoden bediente?

     

    "...unberechenbaren Donald Trump..."

     

    Also der Typ ist jetzt über ein Jahr im Amt. Und was hat er bisher getan? Er versucht genau die Dinge umzusetzen, die er im Wahlkampf versprochen hat. Dabei hat er manchmal Erfolg (z.B. Steuerreform); manchmal auch nicht (z.B. Obamacare). "Unberechenbar" geht irgendwie anders....

     

    "Die Verschiebung privatester Details..."

     

    Welche Verschiebung denn? Cambridge Analytica hat lediglich die Daten ausgewertet, die die FB Nutzer selber in ihre (öffentlich zugänglichen) Profile laden.

    • @Der Mann, der unter einen Stein hervorkroch:

      "Cambridge Analytica hat lediglich die Daten ausgewertet, die die FB Nutzer selber in ihre (öffentlich zugänglichen) Profile laden."

       

      Das - und die Daten von deren "Freunden", die nichts von dem Analysespielchen wussten, in dem man sich seine Persönlichkeit analysieren lassne konnte.

      Das Dummies, die ihre Daten irgendwo eingeben, ernsthaft glauben, das würde nicht kommerziell genutzt, ist eine Sache. Aber das Unbeteiligte auch ausgespäht werden, setzt dem noch eins drauf.

    • @Der Mann, der unter einen Stein hervorkroch:

      Nur weil etwas 'öffentlich zugänglich' ist, muss die Nutzung ja nicht zwangsläufig erlaubt sein...

      • @Sebas.tian:

        Weder FB noch Cambridge Analytics haben gegen ein Gesetz verstoßen. Somit sind ihre Aktionen erlaubt.

         

        Die Frage ist doch eher: Sollten solche "Big Data Schweinereinen" erlaubt sein?

        Oder sollte der Gesetzgeber ihnen in Zukunft einen Riegel vorschieben?