Kommentar Europas Flüchtlingspolitik: Druck auf Transitländer
Den Schleppern das Handwerk legen. Das ist für die EU ein Hauptziel. Doch es ist die Totalabschottung, die das Schlepperbusiness am Laufen hält.
W ieder einmal will die EU „entschlossen“ reagieren. Darauf, dass die neue Fluchtroute von der Türkei nach Italien an Bedeutung gewinnt. Das heißt Druck auf die Türkei, damit die mit syrischen Kriegsflüchtlingen vollgepackten Frachter bitteschön nicht mehr abfahren, Druck auch auf Griechenland, damit die Behörden dort die Schiffe so früh wie möglich abfangen.
Vorbei scheinen schon wieder die Diskussionen, die vor ein paar Monaten schüchtern eingesetzt hatten: Selbst deutsche Minister konnten sich eine Europäisierung der Flüchtlingspolitik vorstellen.
Jetzt gilt wieder, ganz wie bei der Eurokrise, dass jeder Staat gefälligst seine „Hausaufgaben“ machen soll: Hausaufgaben, die im jeweils nationalen Beitrag zur Abriegelung Europas bestehen. Und die EU hilft bloß mit Frontex: mit der koordinierten Abwehr an der Grenze.
Mare Nostrum, die italienische Rettungsmission im Mittelmeer, war da immerhin schon einen Schritt weiter. Und richtig lag die italienische Regierung mit ihrer Forderung, diese Mission auf europäische Füße zu stellen.
Doch Mare Nostrum war recht besehen ein Notnagel: Die massenhafte Rettung der Menschen ist ja nur deshalb notwendig, weil den Flüchtlingen gar kein anderer Weg bleibt, als sich Schleppern anzuvertrauen, egal ob in Libyen oder der Türkei, und Tickets zu Mondpreisen für Horrorfahrten auf brüchigen Kähnen zu buchen.
Den Schleppern das Handwerk legen: Dies ist angeblich Hauptziel der EU-Politik. Doch das Gegenteil geschieht – erst die Totalabschottung macht ja das Schleuserbusiness zum Multimillionengeschäft.
Ändern wird sich das erst, wenn Europa eine Politik der Flüchtlingsaufnahme einschlägt, statt etwa in der gegenwärtigen Krise Staaten wie die Türkei, den Libanon oder Jordanien mit Millionen Kriegsflüchtlingen alleinzulassen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Liberale in der „D-Day“-Krise
Marco Buschmann folgt Djir-Sarai als FDP-Generalsekretär