Kommentar Europarat und Russland: Kaum noch ernst zu nehmen
Dass der Europarat Sanktionen gegen Mitglieder der russischen Delegation aufhebt, ist ein Punkt für Putin. Der kommt mit Erpressung erneut zum Ziel.
D ie Ukrainer haben recht mit ihrer Entscheidung, die Aufhebung der Sanktionen gegen die Mitglieder der russischen Delegation im Europarat juristisch anfechten und die Arbeit in dessen Gremien fortan boykottieren zu wollen.
Denn dieses Votum, für das sich vor allem Frankreich und Deutschland stark gemacht hatten, kommt für den Europarat einer Kapitulation und Selbstdemontage gleich. Wer soll diese Institution eigentlich noch ernst nehmen? Ein Club, der für sich in Anspruch nimmt, Hüter von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu sein, gleichzeitig aber ganz gut damit leben kann, ein Land sogar noch dafür zu belohnen, das Völkerrecht zu brechen sowie Menschenrechte aufs Gröbste zu missachten.
Für die Ukraine ist der Straßburger Kotau vor Moskau vor allem deshalb so bitter, weil sich an den Gründen, die 2014 zur Verhängung der Sanktionen geführt hatten, rein gar nichts geändert hat: Die Menschenrechtslage auf der Krim, besonders für die Tataren, verschlimmert sich weiter. In der Ostukraine wird weiter gekämpft und gestorben, wobei Moskau nach wie vor tatkräftig Schützenhilfe leistet.
Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist, dass sich zumindest die Abgeordneten des EU-Parlaments noch ein wenig Vernunft bewahrt haben. Sie stimmten in der vergangenen Woche für eine einjährige Verlängerung der Sanktionen gegen Russland – wegen der Krim.
Doch es geht nicht nur um die Ukraine. Mit der Türkei und Aserbaidschan gehören dem Europarat zwei Länder an, deren langjährige Herrscher Erdoğan und Alijew Nachhilfe in Demokratie ebenfalls gut gebrauchen könnten. Den neugewählten Istanbuler Bürgermeister doch noch aus dem Verkehr ziehen? Oder in Baku mal wieder ein paar zu unbequeme Journalisten wegsperren? Warum nicht. Strafmaßnahmen im Europarat sind ja nun nicht mehr zu befürchten.
Der eigentliche Sieger dieser unsäglichen Schmierenkomödie aber heißt Wladimir Putin. Denn wieder einmal hat sich gezeigt, dass Erpressung zum gewünschten Ziel führt. Na denn: Feuer frei!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert