Kommentar Eskalation in der Ukraine: Wir wissen gar nichts
Nach dem Gewaltausbruch im Osten der Ukraine tobt eine Propagandaschlacht. Eine Beruhigung ist nicht zu erwarten.
M an hätte es ahnen können: Anstatt einer Beruhigung der Lage im Osten der Ukraine sind wieder Tote und Verletzte zu beklagen. Kiew macht Moskau für den neuerlichen Gewaltausbruch am vergangenen Wochenende in der Stadt Slawjansk verantwortlich.
Für den Kreml steht fest, dass die „Faschisten“ in Gestalt des Rechten Sektors die Aggressoren sind. Deren Chef Dmytro Jarosch hatte ja praktischerweise am Tatort gleich noch seine Visitenkarte hinterlassen. Das war, neben dem Ruf des selbst ernannten Slawjansker Bürgermeisters nach russischen „Friedenstruppen“, nur eine von vielen bizarren Nachrichten, die das russische Staatsfernsehen – zufällig als erster Sender vor Ort – über den Äther jagte.
Doch einmal abgesehen davon, dass wir, wie so oft in den vergangenen Tagen, auch dieses Mal wieder wissen, dass wir gar nichts wissen: Das Genfer Abkommen, das viele als einen ersten Schritt hin zu einer möglichen Beilegung der Krise begrüßt hatten, könnte sich bald als Makulatur erweisen. Nichts deutet darauf hin, dass Moskau seinen Einfluss im Osten des Nachbarlandes im Hinblick auf eine Deeskalation beabsichtigt, geltend zu machen. Vielmehr scheint es vorrangig darum zu gehen, die Präsidentenwahl am 25. Mai, die Moskau ohnehin nicht anerkennen will, zu torpedieren.
Das Gleiche gilt auch für die prorussischen Besetzer, die überdies an einem Referendum noch vor den Wahlen festhalten. Ihnen läuft die Zeit davon, und offenkundig ist ihr Rückhalt in der Bevölkerung weniger bedeutend, als sie dachten. So dürften die Scharmützel weitergehen – flankiert von entsprechenden Propagandaschlachten. Und die Beobachter der OSZE, die eigentlich versuchen sollten, ein objektives Bild der Lage zu zeichnen? Sie wurden bis Montagnachmittag noch nicht einmal nach Slawjansk hineingelassen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Elon Musk torpediert Haushaltseinigung
Schützt die Demokratien vor den Superreichen!
Pro und Contra Letzte Generation
Ist die Letzte Generation gescheitert?
Die Linke im Bundestagswahlkampf
Kleine Partei, großer Anspruch
Studie zum Tempolimit
Es könnte so einfach sein
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Krieg in Gaza
Kein einziger Tropfen sauberes Wasser