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Kommentar Eskalation KurdenkonfliktEuropas dröhnendes Schweigen

Daniel Bax
Kommentar von Daniel Bax

Der Konflikt zwischen Türken und Kurden eskaliert. Europa hält sich zurück. Dabei sollte gerade Deutschland vermitteln – in eigenem Interesse.

Türkische Einsatzkräfte zerstreuen kurdische Proteste in Diyarbakir. Foto: reuters

E s ist beschämend. Im Sommer kritisierte die Bundesregierung noch, dass die Türkei lieber Stellungen der PKK im Nordirak bombardierte, als sich auf den Kampf gegen den IS zu konzentrieren. Im August zog sie nach drei Jahren vorzeitig ihre Patriot-Raketen ab, die dort Anfang 2013 an der syrischen Grenze stationiert wurden.

Doch seit dem Flüchtlingsdeal vom Oktober ist alles anders. Damit Erdoğan für Europa die Grenze sichert, hat man sich offenbar einen Maulkorb auferlegt. Während sich die Lage in der Türkei dramatisch verschlimmert hat, reagieren Deutschland und die EU nun mit dröhnendem Schweigen.

Dabei droht der Türkei ein Rückfall in die dunkle Ära der neunziger Jahre, als der staatliche Feldzug gegen die PKK Zehntausende das Leben kostete und den Südosten über Jahre verwüstete. Unter Erdoğan hatte sich der Dauerkonflikt entspannt, es gab einen Friedensprozess, doch der liegt jetzt in Trümmern. Denn Erdoğan setzt wieder auf die alten Methoden des türkischen Nationalismus: auf Repression, Kollektivstrafen und militärische Gewalt. Aber auch die PKK trägt eine Mitschuld an der Eskalation, weil sie den Krieg in die Städte trägt.

Gefährlicher als in den neunziger Jahren ist aber das weltpolitische Umfeld. In Syrien und im Irak hat sich der IS festgesetzt, und Russland sowie der Iran verfolgen ihre eigenen Ziele in der Region. Der Konflikt in der Türkei birgt da besonderen Sprengstoff und könnte ein weiteres Land in den Abgrund reißen. Kritik an Ankaras gefährlichem Kurs ist daher angebracht. Schrille Parteinahme für eine Seite bringt einen aber nicht weiter. Stattdessen muss man versuchen, beide Seiten auf Kompromisskurs zu bringen.

Erdoğan setzt wieder auf die alten Methoden des türkischen Nationalismus

Es ist ja nicht der einzige Konflikt, zu dem Europa schweigt. Zu Israels Kriegen und seiner anhaltenden Besatzung ist aus Europa auch selten Kritik zu vernehmen. Und dass Saudi-Arabien seit Monaten den Jemen ins Elend bombt, ist hier nur ein Achselzucken wert. Beides sind Verbündete, darum hält man sich zurück. Schon diese Sprachlosigkeit ist fatal.

Doch der Konflikt in der Türkei ist ein besonderer, denn wenn er weiter eskaliert, dann werden die Folgen auch in Deutschland unmittelbar zu spüren sein. Darum sollte sich die Bundesregierung jetzt aktiv einschalten, um zu vermitteln – und das schon aus reinem Eigeninteresse.

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Daniel Bax
Redakteur
Daniel Bax ist Redakteur im Regieressort der taz. Er wurde 1970 in Blumenau (Brasilien) geboren und ist seit fast 40 Jahren in Berlin zu Hause, hat Publizistik und Islamwissenschaft studiert und viele Länder des Nahen Ostens bereist. Er schreibt über Politik, Kultur und Gesellschaft in Deutschland und anderswo, mit Fokus auf Migrations- und Religionsthemen sowie auf Medien und Meinungsfreiheit. Er ist Mitglied im Vorstand der Neuen deutschen Medienmacher:innen (NdM) und im Beirat von CLAIM – Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit. Er hat bisher zwei Bücher veröffentlicht: “Angst ums Abendland” (2015) über antimuslimischen Rassismus und “Die Volksverführer“ (2018) über den Trend zum Rechtspopulismus. Für die taz schreibt er derzeit viel über aktuelle Nahost-Debatten und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW).”
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5 Kommentare

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  • Mal wieder ein lausiger Kommentar eines Inlandsredakteurs zu außenpolitischen Themen. Die PKK trägt also den Krieg in die Städte und ist deshalb mit verantwortlich... Da stellt sich mir natürlich die Frage, in welchem Universum Herr Bax lebt, wenn einer Partei, die nachweislich noch NICHT in den Konflikt eingegriffen hat, einfach mal eine Mitschuld gegeben wird. Herr Bax es sind nicht alle Kurden PKKler. Wo Herr Erdogan Zivilisten bombardiert, leisten nach dem aktuellen Stand der Informationen vor allem kurdische Jugendliche Widerstand. Die PKK hingegen lebt in den Bergregionen der Steppe und hat noch nicht interveniert. Zum zweiten kann Herr Bax ja gerne mal einen Kommentar schreiben, wie er sich denn eine Kompromisslösung vorstellt. Für Herrn E. sieht ein Kompromiss eine Endlösung für das Kurdenproblem vor. Ihr Kompromiss wäre dann, dass die Kurden nur noch ein bisschen ermordet werden dürfen, oder wie darf ich das verstehen? Die Türkei ist vollkommen völkerrechtswidrig mit Panzern in Syrien einmarschiert und verletzt pausenlos Menschenrechte in den Flüchtlingsunterkünften, auch weil diese in Kriegsregionen abgeschoben werden.

    • Daniel Bax , Autor des Artikels, Redakteur
      @Cypher:

      Das Wort "Endlösung" disqualifiziert Ihren Kommentar eigentlich. Aber nur so viel: die PKK hat Anschläge auf Polizisten und Soldaten verübt, die mehrere Dutzend Opfer gefordert haben. Das ist nicht NICHTS, wie Sie schreiben. Und Kämpfer der PKK-Jugendorganisation YDG-H haben Stadtviertel mit Gräben, Barrikaden und Sprengsätzen abgeriegelt, was auch Human Rights Watch kritisiert.







      Nichtsdestotrotz halte ich es für kriminell, Panzer und Artillerie gegen Barrikaden einzusetzen und ganze Städte und -viertel mit Ausgangssperren zu belegen. Verwundete haben keinen Zugang zu medizinischer Versorgung und ganze Viertel müssen ohne Wasser, Strom und Lebensmittel auskommen. Das sind die alten Methoden des türkischen Staats, und auch das habe ich in meinem Kommentar kritisiert.







      Aber zu einem Konflikt gehören nun mal immer zwei Seiten. Es tut mir leid, wenn ich da nicht mit reiner Schwarz-Weiß-Malerei dienen kann.

  • "In Syrien und im Irak hat sich der IS festgesetzt, und Russland sowie der Iran verfolgen ihre eigenen Ziele in der Region."

     

    Nur Russland und Iran?

  • Herr Bax belieben Witze zu machen:

    "Stattdessen muss man versuchen, beide Seiten auf Kompromisskurs zu bringen."

    Für Herrn Erdowahn heißt das die Unterwerfung der Kurden, für die Kurden Unterwerfung unter Herrn Erdowahn. Kennt Herr Bax nicht die türkische Kultur?

  • Die Türkei hat heute zwei außenpolitischen Ziele, die über allen anderen stehen: Sie wollen Bashar al-Assad stürzen, ein neues (pseudo-demokratisches) islamisches Regime in Damaskus installieren und sie wollen die YPG auflösen. Die Kurden Syriens sollen ihrer gewonnen Freiheiten möglichst schnell wieder beraubt werden, weil diese Kurden den Kurden in der 'Türkei' sehr nahe stehen. Jeder Tag YPG bringt ein Stück Kurdistan in der Türkei zustande.

     

    Diese politischen Ziele nageln die Türkei darauf fest, das Kurdenproblem als ein militärisches Problem anzugehen und alles auf Sieg oder Niederlage zu setzen. Die Korruptionsaffären und die Abschaffung einer freinen Presse und einer unabhängigen Justiz flankieren dieses außenpolitische Programm. Die Regierung Erdogan ist auf dieser Ebene nicht viel anders als die Vorgängerregierungen der 1990er Jahre, die allesamt Frieden wollten und Krieg betrieben.

     

    Die damaligen Rechtsparteien ANAP und DYP sind heute bedeutungslos, was vielleicht Erdogan zu Denken geben sollte, nur, das tut es nicht. Die Türkei befindet sich schon einigen Monaten in einigen Gebieten in einem Bürgerkrieg.

     

    Da die HDP und die PKK fast ein Monopol habe, für die Kurden direkt zu sprechen, gibt es zwischen Regierung und Kurden kaum einen Austausch mehr.

     

    Allerdings scheitert die Türkei in Syrien - ihre Politik erweist sich als nicht durchführtbar und in Gestalt der ISIS hat sie eine weitere Herausforderung, sie muss solche Kräfte am Leben erhalten, damit die ISIS die YPG in Schach hält, gleichzeitig muss die ISIS auf lange Sicht verschwinden. Auch die weiteren Verbündeten der Türkei in Syrien erweisen sich nicht als hegemoniefähig, dafür aber meist als Jihadistisch und korrubt.