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Kommentar Erhöhung des PflegebeitragsJeder kann zum Pflegefall werden

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Rund fünf Euro mehr müssen Arbeitnehmer zusätzlich in die Pflegeversicherung zahlen. Wem das zuviel ist, sollte sich fragen, wie er später leben will.

Alt werden wollen alle, für die eigene Pflege vorsorgen aber nicht Foto: Unsplash/ rawpixel

E ine Schachtel Zigaretten kostet im Durchschnitt 6 Euro. Manche Menschen kaufen jeden dritten Tag eine neue – oder öfter. Macht im Monat mindestens 60 Euro, die die meisten Raucher*innen gern ausgeben.

Das nur mal so zum Vergleich. Denn die Emotionen kochen vielerorts hoch, weil zu Beginn des kommenden Jahres der Beitrag zur Pflegeversicherung um 0,5 Prozentpunkte steigt. Die Kritik an dem Kabinettsbeschluss von Mittwoch lautet in etwa so: Schon wieder eine ungerechte Erhöhung! Die Verbesserung der Pflege darf nicht zulasten der Betroffenen gehen!

Rechnen wir es mal durch: Bei einem Bruttomonatseinkommen von 2.000 Euro müssen Arbeitnehmer*innen ab Januar jeden Monat 5 Euro mehr in die Pflegekasse zahlen. Weitere 5 Euro übernehmen die Arbeitgeber*innen. 5 Euro! Gleichzeitig soll Pflege – so zumindest stellen sich das viele vor, und so wäre es wünschenswert – funktionieren wie ein Sanatorium mit Rundumvollverpflegung. So ist es aber nicht. Und so wird es auch nie sein. Dazu ist das Pflegedilemma zu groß: Immer mehr Menschen, die intensive Betreuung benötigen, und zu wenige Menschen, die diese leisten. Und die obendrein dafür viel zu schlecht bezahlt werden.

Der Beitrag steigt

Im kommenden Jahr steigt der Beitrag zur Pflegeversicherung. Das Bundeskabinett beschloss am Mittwoch in Berlin eine Gesetzesvorlage von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), wonach der Pflegebeitrag zum 1. Januar 2019 um 0,5 Prozentpunkte von 2,55 auf 3,05 Prozent des Bruttoeinkommens angehoben werden soll. Kinderlose zahlen einen Zuschlag von 0,25 Prozentpunkten.

Das Defizit betrage in diesem Jahr bereits drei Milliarden Euro, so Spahn. Die jetzt geplante Erhöhung des Beitragssatzes reiche „mindestens bis 2022“, sagte der Minister.

Die Anhebung des Beitragssatzes führt den Angaben zufolge im kommenden Jahr zu Mehreinnahmen der Pflegeversicherung von 7,6 Milliarden Euro. Die Pflegeversicherung hatte nach Jahren im Plus 2017 erstmals wieder ein Defizit von rund 2,5 Milliarden Euro zu verzeichnen. (epd)

Wer jetzt klagt, kann schon bald selbst Pflegefall sein

Gute Pflege gibt es nicht nur nicht umsonst, gute Pflege kostet. Ebenso die Ausbildung von dringend benötigtem Pflegenachwuchs. Von einer besseren Bezahlung des Pflegepersonals gar nicht zu reden. Man muss kein Freund von Gesundheitsminister Jens Spahn sein, um dem Vorstoß des CDU-Mannes etwas abzugewinnen. Man braucht nur ein wenig Realismus. Und wer in der Familie selbst Pflegefälle hat, kennt die Misere und ist dankbar für jede Verbesserung. Dafür gibt man gern 5 Euro mehr im Monat.

Um es weiter zuzuspitzen: Die meisten der heutigen Arbeitnehmer*innen, die sich jetzt über die (geringen) Mehrausgaben beklagen, könnten in einigen Jahren und Jahrzehnten selbst ein Pflegefall sein. Wie wollen sie dann leben? Von wem betreut werden? Welche ­Therapien in Anspruch nehmen? Und sich dann bitte auch fragen: Wer bezahlt das alles für mich?

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Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
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2 Kommentare

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  • Bezahlen könnte das die öffentliche Hand, wenn sie denn ich auf Teufel komm raus die schwarze Null wollte. D.h., dass der Arbeitgeber in die Pflicht genommen wird, was zu zahlen, was der Staat nicht zahlen will.

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ..."Und sich dann bitte auch fragen: Wer bezahlt das alles für mich?"



    Deshalb vertraut 'unsere' Bundesregierung auf die billigen, bzw. willigen Pflegekräfte aus Asien und Afrika.