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Kommentar ErbschaftsteuerDie soziale Balance ist gefährdet

Hannes Koch
Kommentar von Hannes Koch

Für neue politische Bündnisse nach der Bundestagswahl lässt der Kompromiss nichts Gutes erahnen: Begünstigt werden seit Jahren die Reichen.

Ganz entspannt zurücklehnen. Für Erben von Millionenvermögen ändert sich wenig, pingelig ist der Staat eher bei kleinen Einkommen Foto: dpa

Familienunternehmen“ klingt kuschelig. Man denkt an Betriebe, die handwerkliche Traditionen über Generationen fortführen. Doch der Begriff umfasst auch Konzerne wie Henkel oder Schaeffler, in denen persönliche Eigentümer eine große Rolle spielen.

Deren Vertreter haben sich nun bei der Reform der Erbschaftsteuer durchgesetzt, die der Vermittlungsausschuss zwischen Bundesrat und Bundestag in der Nacht zum Mittwoch beschlossen hat. Firmen, die Hunderte Millionen oder gar Milliarden Euro wert sind, kann man auch künftig mit minimaler Steuerbelastung weiterreichen. Ja, es ist richtig: Wenn eine Firma vererbt wird, sollten die Arbeitsplätze erhalten bleiben und nicht einer zu hohen Erbschaftsteuer zum Opfer fallen.

Das neue Gesetz mit Unterstützung von Union, SPD und Teilen der Grünen begünstigt jedoch weit größere Vermögen, als notwendig wäre, um dieses Ziel zu erreichen. Wenn ein beträchtlicher Teil privaten Reichtums steuerfrei bleibt, geht es offensichtlich nicht nur um Arbeitsplätze. Hier bringen die Firmenerben ihre Schäfchen ins Trockene.

Dieser Kompromiss gefährdet die soziale Balance in Deutschland. Darin setzt sich die Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte fort. Die steuerliche Belastung für hohe Einkünfte und Vermögen ist gesunken. Mittlerweile zahlen sehr reiche Privatleute in Deutschland weniger Steuern auf ihr angesammeltes Kapital als in vergleichbaren Industrieländern.

Knausrig ist die Politik vor allem bei den Armen

An der Spitze der Einkommens- und Vermögenspyramide gibt sich die Politik sehr zuvorkommend. Eher knauserig ist man dagegen, wenn es um die mittleren und unteren Schichten geht. Da müssen 2 Euro Kindergeld und 5 Euro Hartz-IV-Aufbesserung reichen.

SPD und grüne Landespolitiker tragen das neue Erbschaftsteuergesetz nicht in jedem Detail, wohl aber grundsätzlich mit. Das ist ein schlechtes Vorzeichen für die kommenden Jahre. Denn nach der Zeit der Großen Koalition könnten neue Regierungsbündnisse und damit auch eine andere Steuerpolitik möglich sein. Vor allem die unteren Einkommen müsste man dann mehr fördern.

Zu denken ist an niedrigere Sozialbeiträge und großzügigere staatliche Transfers. Zu bezahlen wäre diese aus höheren Steuern auf große Einkommen und Vermögen. Eine Chance dafür wurde nun verpasst.

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Hannes Koch
Freier Autor
Geboren 1961, ist selbstständiger Wirtschaftskorrespondent in Berlin. Er schreibt über nationale und internationale Wirtschafts- und Finanzpolitik. 2020 veröffentlichte er zusammen mit KollegInnen das illustrierte Lexikon „101 x Wirtschaft. Alles was wichtig ist“. 2007 erschien sein Buch „Soziale Kapitalisten“, das sich mit der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen beschäftigt. Bis 2007 arbeitete Hannes Koch unter anderem als Parlamentskorrespondent bei der taz.
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9 Kommentare

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  • Nachtrag:

     

    "Es gibt kein Problem mit Altersarmut" -

     

    "Natürlich haben wir Ungleichheit in Deutschland, aber sie gehört zu einer Gesellschaft der Freiheit einfach dazu." =

     

    Michael Hüther, Botschafter der Initiative "Neue Soziale Marktwirtschaft", am 8. September 2016, Zeit-Online, über Einkommensverteilung.

  • Welche 'soziale Balance' meint der Titel eigentlich? War das jemals in Balance?

  • Hurra, wir erben “Soziale Marktwirtschaft“

     

    Viele der Kinder, denen ein Unternehmen übertragen wurde,

    waren noch minderjährig. Das ergibt sich aus den bekannt gewordenen Zahlen des Deutschen

    Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin, das die Erbschaft- und Schenkungssteuerstatistik ausgewertet hat.

     

    Laut der Untersuchung gingen von den 144 Milliarden Euro an steuerfreien

    Firmenübertragungen - zwischen 2011 und 2014, für die Altersangaben vorliegen, 37

    Milliarden Euro an Minderjährige. 29,4 Milliarden Euro davon hätten 90 Kinder im Alter von unter 14 Jahren erhalten. -

     

    Von denjenigen, die unter 14 Jahre alt waren, bekam jeder Jugendliche durchschnittlich 327 Millionen Euro steuerfrei geschenkt.

     

    Damit sollten wir uns ernsthaft sozial- und gesellschaftspolitisch beschäftigen!

  • Die Erbschaftsteuer stellt uns vor eine außerordentlich wichtige gesamtgesellschaftliche Frage.

    Dass jetzt "in letzter Minute" so ein fauler Kompromiss gefunden wird, läßt in der Tat nichts Gutes hoffen und ich kann dem Komentar von Herrn Koch nur zustimmen.

  • Doch der Begriff umfasst auch Konzerne wie Henkel oder Schaeffler, in denen persönliche Eigentümer eine große Rolle spielen. Und andere, bei denen das Wort Familienbetrieb ein Witz ist. Sie haben einen Teil des Arbeitsertrags von hunderttausenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern kassiert und so ihre Milliarden zusammengerafft. Das interessiert unsre Parteien aber wenig, schließlich werden sie in Wahlkämpfen von Milliardären geschmiert. Wenig vermögende Personen hingegen erleben ihren sozialen Status als zementiert. Alles bleibt beim Alten: Die Profit- sind im Gegensatz zu den Lohneinkommen seit der Jahrtausendwende drastisch gestiegen, und die deutsche Vermögensverteilung ist so ungleich wie in kaum einem anderen europäischen Land. Jim HAWKINS hat Recht: soziale Gerechtigkeit muß erkämpft werde oder sie findet nicht statt.

    • 3G
      33523 (Profil gelöscht)
      @patty:

      Ob ein Unternehmen ein Familienunternehmen ist oder nicht wird ausschließlich davon bestimmt wer es besitzt, von keinem anderen Faktor.

  • 8G
    86548 (Profil gelöscht)

    Es ist gerade für Familienunternehmen sehr einfach, Wohn- und Firmensitz ins Ausland zu verlegen. Ich möchte nur an Theo Müller erinnern. Von dessen Erbschaftssteuer sieht der deutsche Fiskus keinen Cent. Das sollte bedacht werden, wenn eine höhere Steuer gefordert wird.

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Die soziale Balance ist genauso austariert wie diejenigen die die Waage bedienen das entschieden haben.

     

    Und so lange sich die, die darunter leiden nicht empören, aufstehen und Widerstand leisten, wohlgemerkt nicht gegen Flüchtlinge oder Minderheiten, so lange bleibt das eben so wie es ist.

     

    Soziale Gerechtigkeit ist ja nichts was per ordre de Mufti verordnet wird. Sie wird erkämpft oder sie findet eben nicht statt.

     

    Und hierzulande demonstriert man eher gegen Chlorhähnchen als gegen den kapitalistischen Normalzustand.

  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    3 kongeniale Sätze der letzten 15 Jahre:

     

    1. "Kapital ist ein scheues Reh."

    2. "Sozial ist was Arbeit schafft."

    3. "Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen."

     

    Obwohl alle 3 eine ältere Urheberschaft vorweisen, war ihre Neuauflage als die ultimative neoliberale Propagandacombo erfolgreich und richtungsweisend.