piwik no script img

Kommentar EnergiewendeAigner kommt, Konflikt bleibt

Hannes Koch
Kommentar von Hannes Koch

Bayerns Wirtschaftsministerin Aigner will die Energiewende auf Pump finanzieren. Die Ökoumlage soll auf etwa 5 Cent gesenkt werden. Ein riskantes Unterfangen.

Die steile Karriere der Ilse. Da geht noch was nach oben hin. Bild: dpa

B loß keine neuen Schulden! Mit dieser Ansage hat die Union die Koalitionsverhandlungen bestritten. Jetzt, gut einen Monat nach der Amtseinführung der neuen Bundesregierung, soll das schon nicht mehr wahr sein. Bayerns CSU-Wirtschaftsministerin Ilse Aigner, vormals Bundesverbraucherministerin, will die Energiewende teilweise auf Pump finanzieren. Eine vordergründig charmante, aber risikoreiche Idee.

Das bayerische Wirtschaftsministerium soll gegenwärtig durchrechnen, wie sich die Kosten der Energiewende für Privathaushalte und Unternehmen eindämmen lassen. Die Idee: Die Ökoumlage, die die Verbraucher für Wind- und Solarkraftwerke zahlen, wird gesenkt – von gut 6 Cent pro Kilowattstunde auf knapp 5 Cent. Weil aber die Kosten der Energiewende trotzdem zunächst weiterwachsen – mehr geförderte Ökokraftwerke, neue Stromleitungen –, muss das fehlende Geld woandersher kommen.

Aigners Experten sagen: Nehmen wir halt Kredite. Über 70 Milliarden Euro neue Staatsschulden wären nötig. Zurückzahlen sollen wir sie irgendwann, indem die Ökoumlage jahrzehntelang auf gleichem Niveau weiter erhoben wird, wenn die Kosten der Energiewende eigentlich schon wieder niedriger sind.

Niemand weiß, ob diese Rechnung funktioniert. Der Vorteil aus der Sicht der jetzt regierenden Politiker: Sie müssen den aktuellen Verteilungskonflikt nicht lösen. Gerade geht es ja darum, wer welchen Teil der steigenden Energiewendekosten trägt: die Privathaushalte, die kleinen und mittleren Unternehmen oder die Konzerne, die große Vergünstigungen genießen? Dieser Konflikt wird durch die Senkung der Ökoumlage vielleicht kurzfristig befriedet, bleibt aber auf der Tagesordnung. Deshalb ist Aigners Vorschlag einfach, bequem und mutlos. Man kann auch sagen: feige.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Hannes Koch
Freier Autor
Geboren 1961, ist selbstständiger Wirtschaftskorrespondent in Berlin. Er schreibt über nationale und internationale Wirtschafts- und Finanzpolitik. 2020 veröffentlichte er zusammen mit KollegInnen das illustrierte Lexikon „101 x Wirtschaft. Alles was wichtig ist“. 2007 erschien sein Buch „Soziale Kapitalisten“, das sich mit der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen beschäftigt. Bis 2007 arbeitete Hannes Koch unter anderem als Parlamentskorrespondent bei der taz.
Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • N
    nok

    Die Griechen, Spanier und ich weiss nicht wer sonst, soll sparen. Ich finde, es ist Zeit, dass Deutschland sich auch diese Idee spart und die Energiewende bezahlt. Ich würde mir wünschen, dass die Unternehmen, wenn sie Ermäßigungen für Strom bekommen, stärker an den Kosten der Energiewende beteiligt werden, wenn sie Gewinn machen. Dadurch wird die Wettbewerbsfähigkeit mit berücksichtigt und es geht nicht so auf Kosten der anderen Steuerzahler.

  • M
    Matt

    "Niemand weiß, ob diese Rechnung funktioniert."

    Doch, das wissen alle, die schon eine Weile nah an der Branche sind. Es funktioniert nicht. Die Idee ist nicht besonders neu und wurde jedesmal verworfen. Der einzige Effekt wäre, neben den Investoren in EE-Anlagen andere Investoren für die Kredite bzw. Fonds zu installieren, die sich die Rendite der Ersten nochmals verzinsen lassen. Vom Bürger und seinen Kindern versteht sich. Das Problem ist ja auch nicht, daß die EEG-Umlage durch Neuanlagen steigt (das tut sie nicht), sondern durch von der CDU herbeigeführte Entscheidungen zwischen 2009-2013, also durch ein enormes Marktungleichgewicht zugunsten der Großverbraucher. Das einfachste Mittel zur Senkung der EEG-Umlage wäre das Backloading der CO²-Zertifikate oder eine CO²-Steuer. Aber da stellt sich die Frage nach dem Teufel und dem Weihwasser.

  • F
    fragender

    Warum werden Politiker mit solch hilflosen Ideen nicht einfach aus dem Land gejagt? Gemäß Seehofers Forderung?