Kommentar Energiefresser-Subventionen: Im Rückwärtsrudern richtig gut
Die Bundesregierung erlässt energieintensiven Branchen Steuern in Milliardenhöhe. Das mag in Ausnahmefällen sinnvoll sein, doch diese konkrete Maßnahme hat drei Fehler.
G egenseitiges Schulterklopfen: Der Umweltminister, der Wirtschaftsminister und der federführende Finanzminister geben sich betont einmütig bei der finanziellen Unterstützung energieintensiver Unternehmen.
Offenbar hat die Koalition so viel Eintracht bitter nötig. Warum sonst sollte der Umweltminister ein klimapolitisch so absurdes Gesetz widerspruchslos mittragen? Ein Gesetz, das großen Energieverbrauchern auch in Zukunft 2,3 Milliarden Euro jährlich an Steuernachlässen gewährt.
Freilich: Es gibt Fälle, in denen es sinnvoll ist, ausgewählte Branchen von Steuern und Abgaben zu entlasten, die andere Länder nicht kennen. Denn wenn ein Unternehmen auswandert, ist damit niemandem gedient, auch nicht der Umwelt. Doch statt dieses Thema mit Bedacht anzugehen, schüttet die Bundesregierung das große Füllhorn aus: Grundsätzlich alle energieintensiven Unternehmen sollen auch künftig steuerlich entlastet werden, ohne Rücksicht auf die Eigenarten der jeweiligen Branche. Das ist der erste Fehler im Gesetz.
Der zweite sind die lächerlichen Effizienzvorgaben, die im Gesetz stehen. Die Bundesregierung hat damit eine riesige Chance vertan: Mit der Perspektive von Steuernachlässen hätte sie die produzierenden Unternehmen zu enormen Investitionen in Energiespartechnik motivieren können. Dafür hätte die Regierung allerdings dem absehbaren Lobbydruck der Branchenverbände widerstehen müssen – davor schreckte sie zurück.
Und ein dritter Fehler liegt schließlich darin, dass die Bundesregierung Effizienzverbesserungen nur von der Industrie als Ganzes einfordert. Ob ein einzelnes Unternehmen künftig umsichtiger mit Energie umgeht oder nicht, spielt bei der Bemessung der jeweiligen Steuervergünstigungen keine Rolle. So kann am Ende ein Unternehmen von den Subventionen profitieren, obwohl es selbst gar nichts für den Klimaschutz getan hat.
Noch ist es nicht zu spät, denn der Bundestag muss noch über das Gesetz entscheiden. Und auch die EU könnte theoretisch die Auflagen als zu lasch ablehnen und die Subventionen weiterhin als Beihilfe werten. Die traute Ministerharmonie kann noch durch eine intensive gesellschaftliche Debatte über die Sinnhaftigkeit des vorliegenden Gesetzes durchkreuzt werden.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Tod von Gerhart Baum
Einsamer Rufer in der FDP-Wüste
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss
Jens Bisky über historische Vergleiche
Wie Weimar ist die Gegenwart?