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Kommentar Ende der Fußball-EMGegen die Lähmungserscheinungen

Kommentar von Johannes Kopp

Das Turnier hat gezeigt, die Spitze im Frauenfußball ist enger zusammengerückt. Und das ist gut so. Es war eine EM der Rekorde. Aber was davon bleibt?

Sherida Spitse, die in der 51. Minute einen schönes Freistoßtor zum 3:2 schoss, und der EM-Pokal Foto: ap

D ie gute Botschaft dieses Turniers ist offenkundig. Am Ende gewinnt eben doch nicht immer Deutschland. Jede Sportart profitiert davon, wenn man nicht schon vorher weiß, wie es ausgeht. Insofern hätte der siebte Titel der Deutschen in Serie gewisse Lähmungserscheinungen im Frauenfußball eher befördert.

Vielen Nationen erschienen vermehrte Anstrengungen auch deshalb aussichtslos, weil Deutschland ja eh das Abo auf den Europameistertitel gebucht hatte. Und beim Deutschen Fußball-Bund begünstigte die Erfahrung, dass mit vergleichsweise geringem Investment Dauererfolge zu erzielen sind, nicht unbedingt die Bereitschaft, mehr zu tun. Läuft doch!

Jetzt aber wird der DFB sich dazu bekennen müssen, was er will und wie viel er dafür tun möchte. Auch das ist eine gute Botschaft. An dieser Überraschungs-EM überrascht am meisten, wie schnell der vermeintliche Vorsprung gegenüber manchem Mitbewerber geschmolzen ist. Die Niederlande war vor sechs Jahren für die DFB-Elf nicht viel mehr als ein Sparringspartner. Vor der WM 2011 luden die Deutschen den kleinen Nachbarn noch nach Aachen ein, um sich in die richtige Stimmung zu schießen.

Mit 5:0 kanzelte man damals den heutigen Europameister ab. Die gestrigen Kantersiege haben für die Zukunft kaum noch eine Bedeutung. Gewiss darf man die neuen Fakten nicht zu schwer gewichten. Es bleibt aber die Erkenntnis: Zehn Jahre ernsthafterer Zuwendungen haben den Niederlanden genügt, um die Nummer eins in Europa zu werden. Großes Geld musste dafür nicht in die Hand genommen werden. Dieses Vorbild müsste doch Nachahmer finden. England und Spanien sind sowieso schon dabei.

In Österreich ist man durch die neue Euphorie möglicherweise schon eifrig am Überlegen. Auch in Italien oder Belgien könnte etwas gehen. Der Wettbewerb, so wäre doch zu hoffen, ist eröffnet. Zumal dieses Turnier wieder einmal unzählige Rekorde bescherte. Die Erweiterung des Teilnehmerfelds sorgte für einen Zuschauerrekord. In England, Belgien, Österreich und anderswo wurden im Verlaufe der EM stets wieder neue Bestmarken von TV-Einschaltquoten vermeldet.

Was bleibt von der Aufbruchstimmung im Alltag

Als Event wird der Frauenfußball offenbar immer besser angenommen. Dass dies geschah, obwohl viele Teams sich oft wenig ansehnlich in der eigenen Hälfte verschanzten, ist umso bemerkenswerter. Vielleicht ist dies auch ein Zeichen dafür, dass die Sehnsucht nach Außenseitererfolgen einfach größer war und man die Favoriten gern kläglich scheitern sah. Entscheidend ist nun wieder einmal die Frage, was im Alltag von der Aufbruchstimmung bleibt.

Wenn in ein paar Wochen die nationalen Ligen ihre Saison eröffnen, werden auch die niederländischen EM-Heldinnen bei ihren Klubs in Europa vermutlich wieder vor ein paar hundert Zuschauern spielen. Geschäfte sind auf dieser Ebene mit dem Frauenfußball bislang kaum zu machen. Deshalb nutzte die niederländische Trainerin Sarina Wiegman den Festtag, um die weitere Unterstützung des Verbandes einzufordern.

Sie wittert die Gefahr, dass sich auch in den Niederlanden mit dem Erfolg die Zufriedenheit über die günstige Werbung einstellen könnte. Ihr Argwohn speist sich aus Erfahrungen. Auch wenn die Bedingungen für einen echten Wettbewerb besser denn je sind, ist Skepsis angebracht.

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taz-Sportredakteur
Jahrgang 1971, bis Ende März 2014 frei journalistisch tätig. Seither fest mit dem Leibesübungen-Ressort verbunden.
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1 Kommentar

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  • Es ist mittlerweile ein bißchen wie beim professionellen Männerfußball - die wirklichen Gewinner der internationalen Turniere sind die stärksten Clubs der stärksten Ligen. Dabei steht alles in allem gesehen die Allianz Frauen-Bundesliga unterm Strich sehr gut, eigentlich sogar "am besten" da. Mit D., der Schweiz und Österreich, in deren Teams sich die Topspieler der diversen Bundesliga-Clubs förmlich tummelten, hatte die Liga sozusagen drei eigene Teams im Rennen, wovon zumindest Österreich sich positiv hervortat. Auch in allen anderen Teams waren ehemalige und derzeitige Spielerinnen der Liga gut und prominent bzw. prägend vertreten. In den letzten Jahren (sogar Jahrzehnten) profitierte die Bundesliga stark vom Legionärsandrang und, wie im Artikel angedeutet, profitierten im Gegenzug die nationalen FAs bei etwas Engagement für die eigene Sache auch von der der starken Bundesliga. Wenn es die Legionärinnen zukünftig vielleicht eher zu frz., sp., engl. ..... Clubs zieht, unter anderem weil da das Sponsoring für mehr Gage sorgt, dann finden die dtsch. Clubs vielleicht mal wieder den Antrieb, Spielerinnen bis zur europäischen Leistungsspitze heranzuführen.