Kommentar Einwanderung Schweiz: Ende der Freizügigkeit
Die Schweiz hat gegen „Masseneinwanderung“ abgestimmt. Der große Sieger ist die SVP mit ihren ausländerfeindlichen Parolen.
D er denkbar knappe Sieg der Volksinitiative „Gegen Masseneinwanderung“ ist ein großer Erfolg für die ausländerfeindlichen Rattenfänger der Schweizer Volkspartei (SVP), aber ein schlechtes Signal für die Schweiz und für Europa.
Mehr denn je zuvor hat die rechtspopulistische SVP mit ihren ausländerfeindlichen Parolen Zustimmung von Anhängern und Mitgliedern aller anderen Parteien bis hin zu den Grünen erhalten. Das ist umso bemerkenswerter, da deren gemeinsam mit den Gewerkschaften und dem Unternehmerverband geführte Gegenkampagne ausschließlich mit den negativen Reaktionen der EU und den dadurch ausgelösten wirtschaftlichen Konsequenzen und Wohlstandsverlusten argumentierte, die die Eidgenossen im Falle einer Zustimmung zu befürchten hätten.
Grundsätzliche migrationspolitische oder menschenrechtliche Argumente, die nicht nur gegen Höchstgrenzen für durch das Personenfreizügigkeitsabkommen privilegierte Einwanderer aus dem EU-Raum sprechen, sondern auch gegen Kontingente für Flüchtlinge, Asylbewerber und andere Menschen aus der „zweiten und dritten Welt“, waren im Abstimmungskampf nur am Rande von den Kirchen zu hören.
Dabei werden voraussichtlich genau diese Personengruppen in erster Linie von einer Umsetzung der Volksinitiative durch die Schweizer Regierung betroffen sein. Vor der Festlegung von Höchstkontingenten für EU-BürgerInnen wird die Regierung wegen der dann drohenden Aufkündigung aller sieben bilateralen Verträge mit der EU zurückschrecken. Zumal es die von der SVP-Propaganda behauptete Arbeitsplatzkonkurrenz durch EU-BürgerInnen mit Ausnahme einiger Branchen im italienischsprachigen Tessin nicht gibt und die Zahl der von der SVP besonders verhassten Zuzügler aus Deutschland ohnehin bereits seit 2008 kontinuierlich zurückgeht.
Der Sieg der SVP ist eine Ermutigung für den britischen Premier Cameron und andere, die die Personenfreizügigkeit innerhalb der EU wieder begrenzen wollen. Und mit ihrer Initiative hat die SVP den Rösti-Graben zwischen der Deutschschweiz und der französischsprachigen Westschweiz wieder so weit aufgerissen wie 1992 bei der ebenfalls nur sehr knapp gewonnenen Initiative gegen einen Beitritt der Schweiz zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR).
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Antisemitismus in Berlin
Höchststand gemessen
Rauchverbot in der Europäischen Union
Die EU qualmt weiter
Wirkung der Russlandsanktionen
Der Rubel rollt abwärts