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Kommentar Einigung zum DigitalpaktMehr Wissen statt mehr Wischen

Anna Lehmann
Kommentar von Anna Lehmann

Der Digitalpakt ist durch, allerdings wird das die Schulen nicht ins digitale Zeitalter befördern. Nicht solange das Angebot für Fortbildungen fehlt.

Die Digitalisierung von Schulen ist keine Frage mehr von Geld, sondern Zeit Foto: dpa

G eht doch. Der Digitalpakt kann tatsächlich nach über zwei Jahren Verzögerung starten, weil Bund und Länder einen Kompromiss über ihre künftige Zusammenarbeit in Bildungsfragen erzielt haben. Wer aber glaubt, die Schulen würden nun mit Highspeed ins digitale Zeitalter katapultiert, irrt. Und das liegt nicht primär daran, dass es an Computern oder WLAN mangelt. Wenn man den Kindern erlauben würde ihre Smart­phones im Unterricht zu benutzen, wäre die Mehrzahl der Schulen wahrscheinlich zu nahezu 100 Prozent mit digitalen Endgeräten ausgestattet.

Es liegt auch daran, dass die Länder bei ihrem Teil des Paktes, nämlich den Qualifizierungen der LehrerInnen, immensen Nachholbedarf haben. Wie integriert man digitale Medien so in den Unterricht, dass nicht nur ein Mehr an Wischen, sondern auch an Wissen entsteht? Wie wird Lernen partizipativer, vernetzter, interaktiver? Das Interesse der LehrerInnen an solchen Fortbildungen ist groß, das belegen verschiedene Umfragen. Allein es mangelt an Angeboten.

Die Bundesländer haben Fortbildungen in den vergangenen Jahren vernachlässigt. Sie schreiben den PädagogInnen zwar qua Schulgesetzen vor, sich fortzubilden – erheben aber nicht systematisch den Bedarf und überlassen es engagierten Pädagogen, ihr Wissen zu erweitern. Und zugegeben: Bei einer im internationalen Vergleich hohen Unterrichtsverpflichtung und den nicht kleiner werdenden Herausforderungen – Integration, Inklusion, soziale und familiäre Probleme in den Familien – braucht man schon viel Enthusiasmus dafür.

Zudem sind Fortbildungen dann sinnvoll, wenn sie keine einmaligen Veranstaltungen sind, sondern Kurse, die über einen längeren Zeitraum laufen und deren Ergebnisse in den Kollegien reflektiert werden können. Neben Geld ist die wichtigste fehlende Ressource die Zeit. LehrerInnen müssten freigestellt werden, um sich weiterzubilden. In Zeiten, in denen Pädagogen bereits aus dem Studium für die Schulen rekrutiert werden, stehen die Chancen dafür jedoch schlecht.

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Anna Lehmann
Leiterin Parlamentsbüro
Schwerpunkte SPD und Kanzleramt sowie Innenpolitik und Bildung. Leitete bis Februar 2022 gemeinschaftlich das Inlandsressort der taz und kümmerte sich um die Linkspartei. "Zur Elite bitte hier entlang: Kaderschmieden und Eliteschulen von heute" erschien 2016.
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3 Kommentare

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  • 9G
    93849 (Profil gelöscht)

    Welche Gefühle solche Aktionen in mir erzeugen, kann ich schwer beschreiben. Es klingt nach einer erneuten, überfälligen und deswegen übereilten Reaktion einer langsamen, trägen und leider auch nicht so professionellen Bildungspolitik.

    Fakt ist, dass Deutschland in Sachen (digitaler) Bildung hinterherhinkt. Fakt ist aber auch, dass das häufig gebrachte Vorurteil, dass Lehrer den Schülern in Sachen Digitalem hinterher sind, häufig falsch ist. Grundlegende Dinge werden von jungen Menschen nicht mehr beherrscht, Reflexion zum Thema Daten und ein produktiver Umgang mit Smartphone und Co. sind häufig nicht existent. (Arbeite viel mit jungen Menschen, persönliche Erfahrungen.)

    Gleichzeitig nehmen Verhaltensauffälligkeiten und Bequemlichkeit zu, sodass ein Digitalpakt rein gar nichts bringen wird. Lehrer sind in der Regel auch deutlich motivierter und interessierter, solche Dinge in den Unterricht einzubinden, werden aber zunehmend mit Bürokratie überhäuft, was auf Kosten guten Unterrichts geht.

    Der Appell an die Politik: Sie soll sich in die Klassenzimmer stellen. Ohne Kameras. Die nackte Wahrheit erleben. Erleben, was "Inklusion" und Niveaudifferenzierter Unterricht anrichten, während die Ausbildung von Lehrkräften überhaupt nicht entsprechend angepasst wird.

    Wie man so lebensfern agieren und entscheiden kann, werde ich niemals verstehen.

  • Es braucht doch nicht nur dringend entsprechende Fortbildungen für LehrerInnen, das natürlich auch, aber am Anfang dieser ganzen Geschichte, bevor man Geräteparks aufmacht, ist ganz zentral ein Konzept dazu nötig, was überhaupt unterrichtet werden soll.

    Ein Fach Medienbildung zumindest zeitweise, kombiniert mit Überlegungen zu Einsatzmöglichkeiten im einzelnen Fachunterricht - dazu sind erstmal Auseinandersetzungen notwendig, wie das alles wirklich sinnvoll für Schülerinnen umgesetzt werden kann; von denen ein nicht unbeträchtlicher Teil, was die Internetangebote betrifft, bereits massive Suchterscheinungen zeigt.

    SchülerInnen brauchen auch ein Metawissen zu (neuen) Medien und Datenmissbrauch, um sich besser entscheiden zu können, wie sie sich im Netz verhalten.

    Dieses Thema ist äußerst vielschichtig und deshalb: bitte entwickelt in der Bildung erst Konzepte für den Einsatz und Umgang mit dem Internet in der Schule und schafft dann die Geräte an.

  • Jau- als ich Volksschüler war, mussten Lehrer und ElterINNEN den sinnvollen Umgang mit dem neuen Medium Fernseher lernen und "Vorurteile" abbauen, dann im Gymnasium mussten wir "sinnvoll" und "verantwortungsvoll" mit Alk umgehen, dann mit Sex dann mit...... Aber es gibt ja auch Menchen die träumen vom "sinnvollen Umgang" mit Waffen und mit schnellen autos... Oh Boy- ich bin alt geworden